FREITAG:
Nach einer absurd kalten Nacht zeigte sich der Morgen an diesem Freitag von seiner freundlichen Seite und überraschte mit warmen Sonnenstrahlen, die einen in liebkosender Umarmung aus dem Zelt lockten. Nur, um dann alsbald wieder zu verschwinden und dem kalten Wind sein perfides Werk an den ausgelaugten Köpern der Metal Impetus-Redaktion vollstrecken zu lassen. Erst einmal Mittagspause, 18.00 Uhr geht es weiter.
Auch trotz verlockender Ankündigung, der Regenmeister hatte kein Erbarmen. Entgegen aller Prognosen erwies sich dieser Freitag als der ergiebigste, wenn es um Niederschläge geht und auch zur musikalischen Primetime gab es nur selten Besserung. Deswegen fiel für uns das Natuurtheater erst einmal aus und wir gaben uns dem elektrischen Bastelspaß im DIY-Store sowie der Kunstperformance von PAND7090 hin.
Was auf den ersten Blick vielleicht etwas abschrecken könnte, zeigte sich als musikalisch durchaus kohärente Geschichte, die PAND7090 da auf unkonventionellste Art in einem eigens dafür eingerichteten Pop-Up-Store darboten. Mit einem alten Klavier, einer Posaune sowie einer Gitarre und diversen Klimm-Bimm bewaffnet, schuf das Trio durchaus atmosphärische Klangwelten, die durch sprachliche Einsprengsel der Pianistin untermalt wurde, in denen sie die Werke des Künstlerkollektivs feil bot. Das klingt jetzt viel verrückter als es letztendlich war, denn im Gegensatz zu vielen anderen Installationen in Tilburg kann man hier von einem durchaus transparenten Prozess sprechen, der dem Betrachter den Zugang doch erheblich erleichterte. Nach der Show gab es sogar noch eine technische Einführung in die Kunst der Vinyl-Zerschneidung und analogen Loop-Erzeugung.
DIY Synth Store
Wolltet ihr schon immer mal eure eigene Krachmaschine bauen? Dann wäre der DIY-Synth-Store die richtige Adresse für euch. Ein Ensemble aus fertigen und gerade in der Entstehung begriffenen Gerätschaften konnte dort bewundert, benutzt und, so man dazu in der Lage ist, nachgebaut werden. Wer wollte nicht schon mal nach fünf Tagen Festival hart ins Lötgeschäfft einsteigen? [Win]
DIY Synth Store
Glitchende Furbys, taktgebene Radiowecker und Bierflaschen-Beat-Maschinen. Ein verrückter Haufen Synth-Süchtiger, die sich 4 Tage lang mit verrückten Ideen überboten. Das Paradies für alle Elektroniker. [Fur]
Gut, zum eigenen Synthie hat es nicht gereicht, weswegen wir uns zu den Belgiern von Yamantau begaben, die eine angenehm psychedelische Indie-Schiene fuhren und mit einer unaufgeregten Ambient-Stimmung überzeugen konnten. Eigentlich hätten nur noch Hängematten gefehlt und das Erholungszentrum wäre perfekt gewesen. Die Jungs werden definitiv noch ihren Weg auf den heimischen Plattenteller finden.
Zes
Allzu viel Zeit hatten wir für Yamantau dann aber nicht, denn im Midi stand Zes auf dem Plan, welcher uns als innovativer Elektrokünstler angepriesen wurde, der mit modernen Beats und unerwarteten Blends verschiedener Spielarten aufwarten würde. Die Realität sah dann leider so aus, dass der Kerl mit umgeschnallter Gitarre in einem Quader aus Mischpults stand und fertig gemixte Tunes abspielen ließ, zu denen er angeblich einige Riffs beisteuerte. Die wirkliche Live-Leistung wollte sich mir hierbei nicht erschließen, wenngleich der gute Mann ab und an mal an irgendwelchen Reglern drehte, was so rein gar nichts zu ändern schien. Wäre der Gesang wenigstens live gewesen, hätte man nochmal drüber nachdenken können, doch so erwies sich Zes nur als Zeitverschwendung. [Win]
Vales
Die britische Wundertüte Vales hingegen bot eine interessante Mischung aus Post Hardcore und Screamo, was ja an sich schnell auf die Nerven gehen kann. Die Briten verstanden es aber ausgezeichnet, zwischen ruhigen und wütenden Momente zu wechseln und ihre energiegeladene Show kam durchaus bei uns an. Warum der Bassist aber erst im letzten Song seine ausgezeichnete Kopfstimme als Background-Vocals präsentierte, wird wohl sein Geheimnis bleiben.
Man soll ja nie aufhören zu lernen und man muss auch mal leben. Zwei einfache Wahrheiten, die We Never Learned to Live anscheinend nie gehört hatten. Prototypischer Post-Hardcore, der leider das Postige vermissen ließ und mit dem typischen Hardcore-Gesang direkt unsere Nerven strapazierte. Da erlegen wir uns lieber freiwillig die Challenge auf, mit unseren Klapprädern die 12 Kilometer zum Natuurtheater in einer halben Stunde zu schaffen und so noch den Auftritt von Necros Christos mitzunehmen. [Fur]
Necros Christos sollten die erste tatsächliche Metalband sein, die wir uns an diesem Tag gaben und schon allein deswegen berührten sie mein seichtes Gemüt mit ihrem Auftritt. Klare Strukturen und straightes Drumming, was Kollege Fur direkt die Wut in die Augen trieb, löste bei mir ein angenehm vertrautes Gefühl aus. Irgendwo im orientalischen Mid-Tempo-Death mit Doom-Einschlag angesiedelt, sind die Berliner zwar keine wirkliche Überraschung, verstehen es aber, ihre Riffs mit ordentlich Groove auf die Bühne zu bringen. Ihr Freund war an diesem Abend auch der mehr als gute Sound im kleinen Waldrondell, der hier und da darüber hinwegsehen ließ, dass man im Grunde häufiger das selbe Riff zu hören bekommt. Kein Vergleich zu musikalischen Mitstreitern wie Sonne Adam, doch durchaus hörenswert. [Win]
Bölzer
Während Kollege Win sein simples Gemüt beruhigte, wartete ich auf Bölzer, die man diesmal mit verhältnismäßig wenig Publikum und fettem Sound genießen konnte. Das Schweizer Duo löste dabei die Erwartungen überwiegend ein, durch den ausgezeichneten Sound fielen aber auch kleinere Unsauberkeiten auf, was jedoch durchaus im Rahmen des Akzeptablem lag. Ob die Schweizer den derzeitig massiven Hype rechtfertigen, lassen wir mal dahingestellt. Wir waren aber durchaus “Entranched by the Wolfshook”.
Sun Worship
Nichts für Puristen: Sun Worship spielen zwar schnörkelos atmosphärischen Black Metal, haben aber sonst mit der Black Metal-Ästhetik nicht viel am Hut: Hippe Hornbrillen und funktionale Kleidung prägen das Selbstbild der Berliner, was für uns ja per se erstmal kein Ausschluss-Kriterium ist. Erwartungsgemäß wurden vor allem “Elder Giants”-Stücke gespielt, welche von der Gitarrenfront auch gewohnt stimmungsvoll präsentiert wurden. Leider blieb das Schlagzeug dahinter zurück. Während man bei Der Weg einer Freiheit knallendes, getriggertes Schlagzeug erwartet, zerstörte vor allem die unbarmherzig getriggerte Snare viel der aufgebauten Atmosphäre, war so doch keine Dynamik im Schlagzeug zu vernehmen. Und selbst im Black Metal sind ja Laut-Leise-Momente und grooviges Schlagzeug keine Seltenheit. Hier und Heute konnten Sun Worship die Erwartungen der Platten leider nicht ganz erfüllen. [Fur]
Während sich Kollege Win mit den niederländischen Gastgebern einen unerbittlichen Kampf im 1. Internationalen Beleidigungs-Scrabble lieferte, zog es mich noch einmal auf den inkubierten Tanzfloor. Angekündigt als “acid-influenced, dark and nasty slow electro and techno tunes” bot Ekman genau das. Der tiefe Vorschub ging direkt in die müden Beine, verlangte aber dankenswerter Weise nicht nach schnellen ausschweifenden Tanzbewegungen. Der tiefe und düstere Electro brachte sogar die Jungs von Sun Worship zum Tanzen.
Gerne hätte ich auch Helena Hauff ein positives Fazit ausgesprochen, leider spielte die Technik nicht mit. Als Vinyl-DJ ist man auf ruhige Plattenteller angewiesen, eine Vorgabe die das Incubate anscheinend nicht umsetzen konnte. So skippte der zweite Plattenteller bei jedem Versuch, die harten Bässe knallen zu lassen. Auch schwere Metallplatten und zwei Ersatz-Plattenspieler brachten keine Besserung, weswegen Frau Hauff langsam an den Rand der Verzweiflung geriet. 30 Minuten nach eigentlichem Set-Beginn lief leider immer noch nichts, weshalb ich mich wieder Richtung Zeltplatz aufmachte. Sry, Helena, das Leben ist einfach zu kurz. [Fur]
Der Abend endete schließlich mit einem Sieg für das holländische Beleidigungs-Team; in diesem Land scheint einfach jedes zweite Wort als wüste Beschimpfung herhalten zu können. Das ist aber gar nicht schlimm, denn so konnten wir direkt einige Grundlagen für die erfolgreiche holländische Konversation in den nächsten Tagen mitnehmen. Schade nur, dass ich davon vorher nicht schon welche gekannt habe, denn Sun Worship hatten mit ihrem hipstertastischen Gebaren mein Beleidungszentrum doch arg in Wallung gebracht. So blieb nur, sich im Stillen bei ein oder zwei Bier abzureagieren und auf die Rückkehr des Techno-Furs zu warten.
Entdeckung des Tages:
PAND7090
Ekman