MITTWOCH:

Direkt nach dem Aufstehen war der Anblick des abgesoffenen Zeltes unserer Nachbarin eine mahnende Erinnerung, dass Herbst ist. Das spürt man besonders, wenn man beim morgendlichen Gang zu den sanitären Einrichtungen zu faul ist, Jacke und Hose anzuziehen und bei Betreten der Kabine eher wie Ken aussieht. Der Kollege von der niederländischen Noisey-Redaktion schien ebenfalls recht verwundert, warum Leute im späten September auf dem Incubate zelten. Angesichts des strömenden Dauerregens, der den Mittwoch bis 18 Uhr im Griff hielt, eine durchaus berechtigte Frage. Als wettergegerbte Festivalprofis ließen wir uns die Stimmung von solchen Kleinigkeiten allerdings nicht vermiesen, kaperten die Zeltplatz PA und starteten einfach die Heavy Headbanging-Party, die das Little Devil am Vorabend nicht zustande brachte.



Pünktlich zum Beginn der Konzerte klarte der Himmel schließlich auf, sodass wir uns trocken ins Little Devil zu Burn the Iris aufmachen konnten. Die Jungs aus Nord-Brabant hatten keine weite Anreise und hätten diese wohl auch nicht gerechtfertigt. Abwechslungsreich wurde zwar zwischen Screams und Klargesang gewechselt, die musikalische Untermalung ließ allerdings Frische und Individualität vermissen. Da das Incubate immer noch zu kurz für Mittelmaß ist, zogen wir das chaotische Free Jazz Ensemble im Paradox vor. [Fur]

Jasper Stadhouvers Improv Ensemble
Jasper Stadhouvers Improv Ensemble

Und das hatte mit insgesamt zehn Musikern, wovon zwei Drummer waren, einiges zu bieten. Wenngleich beim Jasper Stadhouders Improv Ensemble nicht gerade mit eingängigen, geschweige denn sich logisch entwickelnden Melodien zu rechnen ist, etablierte sich aus Saxophon-, Klavier- und Trompetenklängen ein atmosphärischer Teppich, auf dem man sich schön intellektuell fühlen konnte. Doch ehrlich gesagt, reicht dann auch eine gute halbe Stunde davon, denn die Sucht nach geraden Takten packt den simplen Metaller dann doch wieder irgendwann.

Radar Men From the Moon
Radar Men From the Moon

Diese geraden Takte hatten schließlich die Radar Men from the Moon parat. Was sich schnell herausstellte: Von den Melvins lernen, heißt siegen lernen. Auch die Radarmänner hatten zwei Drummer auf der Bühne - anscheinend ist das ein großes Ding in Holland - die in düsterster Dunkelheit durch ihren spacigen Noise Wave Rock wummerten. Da der Raum im Grunde stockfinster war, sah man zwar nicht viel von den Musikern, was auditiv zu erfassen war, konnte sich durchaus hören lassen. Nachdem man sowieso schon die Lust nach soliden Rhythmen hatte, war es für die Holländer eigentlich ein leichtes Spiel. [Win]

Die unheilige Allianz von Incubate und King Buzzo fand heute ihre Fortsetzung, durften The Melvins doch einfach noch einmal auf die Bühne des Midi und alle Zuhörer versorgen, die einfach nicht genug von dieser einzigartigen Band bekommen können. Diversen Aussagen zu Folge, spielten die Amis einfach ihr Set von gestern rückwärts und King Buzzo rollte am Ende des Auftritts von der Bühne… So berichten Musikprofis. Wir ließen uns während dessen zuerst von ZA! schwer beeindrucken und holten uns danach eine dicke Packung Bast ab. [Fur]



ZA! ZA! ZA! Was soll man dazu ZA!gen? Ich als gut vorbereiteter Musikjournalist hatte absolut keine Idee, was mich erwarten würde und war umso verblüffter, als schließlich zwei Spanier aus dem Nichts mit Trompete und Schlagwerk durch die Menge stolzierten, um danach auf der Bühne ein rhythmisches Feuerwerk aus gelooptem Schlagzeug, Sampel-Pad, verzerrten Stimmen und Trompete loszulassen. Musikalisch nicht einzuorden, aber somit das abgefahrenste, was ich seit Langem live erleben durfte. Keine Ahnung, ob das auf Platte auch nur annähernd so wirkt, aber ZA! haben sich an diesem Abend in mein Herz gespielt.

Iguana Death Cult
Iguana Death Cult

Ganz im Gegenteil zu Iguana Death Cult, die eher belanglos und vorhersehbar daher kamen. Doch um ehrlich zu sein, konnten die Jungs selbst eigentlich gar nichts dafür. Sie hatten nur den Nachteil, dass sie nach ZA! spielen mussten und gegen diese tanzbare Übermacht konnte der solide-wüstige Surf Rock nur abstinken. Unter anderen Umständen mögen die Vier sogar funktionieren.

Bast
Bast

Ein bisschen Sólstafir, ein bisschen Doom, große Gitarrenriffs und ab und an auch mal ein Blast - das sind Bast. Die Briten konnten von der ersten Sekunde an überzeugen, hatten einen richtig fetten Sound - was im Little Devil keine Selbstverständlichkeit ist - und strotzten vor Enthusiasmus. Da ließ man sich von kleinen technischen Problemen, wie einer gerissenen Gitarrensaite oder einem Kabelbruch beim Bassdrum-Mikro, nicht aus der Ruhe bringen. Bass und Drum spielen einfach ein kurzes, atmosphärisches Interlude, das dann direkt in den nächsten Song übergeht - Profis! Aber auch davon abgesehen, ging der doomige Stoner Black mit leichtem Wüsteneinschlag einfach gut ins Ohr. Kurzum: Bast sind Kuttenwürdig! [Win]



Goat für Arme: Ein hartes Fazit, welches wir über Zazazozo ziehen müssen. Der Ethno-Elektro-Wasauchimmer-Pop der Niederländer soll ja eine total reflektierte künstlerische Darbietung sein, oder wie es auf der Incubate-Seite heißt:

“Their music and performances are inspired by places unpierced by human thoughts, speaking landscapes, isolation, songs of ghosts and animal spirits, colonialism, erosion of the ethno-spheres, extinct feelings, fear of silence, intimacy to nature and death, absence of history, tri-genderism, loss of navigation, unrevealed yet perceivable parallel universes.”

Zu merken war davon nicht viel: Eine Band voller Drag-Queens unterstützte eine an Nicki Minaj erinnernde Frontfrau nach Kräften, ihren schiefen Gesang halbwegs passabel zu meistern. Tanzbar war das Ergebnis durchaus, die vielen versteckten Messages kamen bei uns aber nicht an, weswegen wir uns alsbald dem verdienten Feierabendbier an der Zeltplatz-Feuertonne hingaben. [Fur]

Entdeckung des Tages:

ZA!
Bast