Mit „Therapist“ erblickt die Debüt-EP des neuen Grind/ Elektro-Projekts Fake Idyll das Licht der Welt. Und Jenes ist reichlich verwirrend. Um diese Wirrungen zu klären stand uns der sympathische Schlagwerker Christof Kather (Ex-Japanische Kampfhörspiele) zur Verfügung und äußerte sich offen zur Entstehung und seinen allgemeinen musikalischen Bestrebungen. Im Folgenden gibt es Einblicke in den Trommler-Alltag, die Frage, wozu PC-Technik führt und warum schon JAKA niemand glaubte. Viel Spaß!

Fake Idyll
Fake Idyll




Deine Projektbeschreibung ist ja reichlich abstrus. War denn Fake Idyll wirklich so zufällig, wie es der Beipackzettel suggeriert?

In dem Beipackzettel steht nichts als die Wahrheit. Schon JAKA hatten immer das Problem, dass sie stets die Wahrheit erzählt haben, die Leute aber dachten, das alles seien geschickte Marketinglügen. Erzähl die Wahrheit und keiner glaubt dir. Soweit ist es also schon gekommen! Fake Idyll ist tatsächlich zufällig entstanden. Und du schreibst, die EP klänge zu konzeptionell. Alles fing an mit einfach hingetrommelten Drumspuren. Ich hatte 2008 im Anschluss an die Aufnahmen zu JAKAs “Bilder Fressen Strom“ einfach noch ein bisschen weiter laufen lassen. Natürlich habe ich dann die besten Stellen aus diesen Drumtakes rausgesucht und zusammengeschnitten. Robert (Nowak) hat seine Gitarren sicher auch nochmal verfeinert, nachdem er sie über dieses Drumming improvisiert hatte, und Leonard (Leal von Cephalic Carnage) hat ja nun auch Texte geschrieben. Trotzdem war der Zufall aber nicht nur anfangs, sondern auch auf dem ganzen weiteren Weg bis zum fertigen Mix steter Begleiter. Die Arrangements wurden immer wieder geändert - als Gitarren dazugekommen waren, und auch nochmal als die Vocaltracks endlich eintrafen. Und nicht zuletzt dadurch, dass so viele Vocalisten spontan mitmachten und Leonard ja nun ein harter Kiffer ist, ist sicher auch im cephallischen Tourbus vieles im Augenblick entstanden. Das Endprodukt ist für alle eine Überraschung. Viel mehr als alle Japanische Kampfhörspiele-Platten, bei denen ja auch immer versucht worden war, mit extrem viel Zufall zu arbeiten. Das Erstaunlichste ist aber nun, dass ich dir, was deine Konzeptunterstellungen angeht, tatsächlich irgendwo Recht geben muss. Die Platte klingt, spätestens seit da Gesang drauf ist, tatsächlich so, als hätte man sie ernsthaft geschrieben. Sogar so, als hätte man sich richtig Mühe gegeben. Gib dir einmal keine Mühe und Erstaunlichstes entsteht!


Das ist ja allerhand. Soviel Zufall hätte ich der ganzen Sache tatsächlich nicht zugeschrieben. Aber ja, die Menschheit hat sich schon so an Verlogenheit gewöhnt, dass man der Wahrheit ihre Existenz gar absprechen will.

Guter Titel: "Die Erfindung der Wahrheit". Gibt's aber sicher schon.


Aber woher kam denn der Einfall, Elektrokill, beziehungsweise Carsten Benninghoff und weitere Sample-Künstler in das Projekt zu involvieren? War das Elektro-Grind Endprodukt auch dem Zufall geschuldet?

Christof Kather
Christof Kather



Elektrokill ist ja als mein elektrisches Steckenpferd irgendwie immer dabei. Durch dieses habe ich eine Menge gelernt, was Produzieren an sich angeht. Elektrokill hat mich 1999 gelehrt, dass Rockmusik nicht 100%tig true sein muss, in dem Sinne, als dass sie ausschließlich im Proberaum entstehen und first-take eingespielt können werden muss. Songs spielen üben kann man, nachdem sie entstanden sind. Ich achte immer drauf, dass Musik handgemacht klingt, und auch darauf, dass sie spielbar ist. Was den Entstehungsprozess angeht, bin ich aber inzwischen extrem schmerzfrei. Die Möglichkeiten des Harddisc-Recordings lassen sich nicht nur benutzen, um spieltechnische Defizite zu kaschieren, wie es z.B. viele Metalcore-Bands machen, sondern man kann diese Errungenschaften auch kreativ verwenden. Eben, wenn man Songs schreibt, während man sie schon aufnimmt. Oder andersherum: Sie aufnimmt, während man sie noch schreibt. Die Arbeit mit Elektrokill hat mich vor allem an die Computerprogramme herangeführt, durch die das möglich ist.
Carsten Benninghoff komponiert hauptberuflich Filmmusik, Werbejingles und arbeitet als Musiklehrer. Ich kenne ihn schon seit vielen Jahren und hatte, als ich anfing Schlagzeug zu spielen, sogar eine Band mit ihm zusammen. Das war vor über 20 Jahren. Zwischendurch hatten wir uns aus dem Augen verloren. Für Fake Idyll hat er mal zwei Nachmittage investiert und billigste Orchestra-Tunes über die bis dahin entstandenen Aufnahmen gewichst. Für das anstehende Fake Idyll-Album, zu welchem sogar schon Aufnahmen gemacht wurden, will er sich mehr Mühe geben. Ich habe ihm aber schon gesagt, dass ich gerade diese billigen Cradle Of Filth Keyboeardsounds mag.
Dann ist da noch Hygnôse, ein Künstler aus Hamburg. Er beschickt mich regelmäßig mit seinen neuesten Noise-Kreationen, aus denen ich mich nach Herzenslust bedienen darf. Ich glaube, der Mann ist 18. Auf diversen JAKA-Releases ist er ebenfalls schon zu hören.


Was das Potential angeht, dass man durch PC-Unterstützung gewinnt, muss ich zustimmen. Das sollte nicht unterschätzt werden. Das typische Proben/ Studio/ Aufnahmen-Vorgehen ist mehr eine Seltenheit oder sogar Besonderheit geworden, als die Regel. Sowas macht eine Projektarbeit ja sicherlich auch einfacher, wenn sich nicht alle immer treffen müssen, um gemeinsam einen Song zu basteln. Die Sample-Kultur ist ja bei dir, beziehungsweise ehemals Japanische Kampfhörspiele auch nicht neu, nur das Verhältnis ist diesmal ein anderes würde ich behaupten. Das Konzept, oder auch nicht Konzept, sagen wir Willkür-Ergebnis ist auch sehr interessant geworden, nur auf Dauer etwas überladen. Die Entwicklung hin zum PC-Recording erlaubt solche Ideen ja auch eher, als das "früher" der Fall war. Das führte bei Fake Idyll ja sicher auch zu diesem opulenten Line-Up. Bleibt ihr dementsprechend auch im Projekt-Status, oder kann man euch in ferner Zukunft einmal live erwarten? Mit DJ und Keyboarder? Das wäre schon was.

Dass es Fake Idyll auf eine Bühne schaffen werden, bezweifle ich. All die Jungs zusammenzutrommeln, dürfte schwer werden. Auf der neuen Platte sollen noch mehr Vocalisten mitmachen! Vielleicht wird es aber auch eine Instrumentalscheibe.


Also eine Scheibe wird es demnach definitiv noch einmal geben. Das erübrigt meine Frage, ob dies ein einmaliges Projekt bleibt oder weiter Früchte tragen wird. Weil du zuvor von Roberts Gitarrenspuren sprachst. War es zu dieser Zeit schon absehbar, dass hier ein (ich betitle es mal so) Elektro Fun-Grind-Album entsteht, oder kam das viel später? Seine Gitarrenarbeit nimmt ja im Laufe der Platte sukzessive ab und man bekommt mehr Beats geliefert. Der Opener "THERAPIST (getsallthegrils)" ist ja da beinahe ein Musterbeispiel an Elektro/Grind-Hybridtechnik. In welche Richtung wird es beim nächsten Mal gehen?

Was ganz hinten bei raus kommt, kann man noch nicht genau sagen. Fest steht, dass es wieder von echten Drum-Sessions ausgeht, die immer wieder zerschnitten und neu zusammengesetzt werden. Genauso wie die Gitarren und der Bass. Dass Elektronik eine Rolle spielen wird, ist ebenfalls sicher. Was die Vocals angeht, würde ich mir wünschen, dass beim Album noch mehr Gäste dabei sein werden. Jacob Bredahl (Ex-Hatesphere, The Kandidate) habe ich schon gefragt und ihm auch gesagt, dass er Hinz und Kunz bescheid sagen soll, auch mitzumachen. Jeder darf Texte schreiben wie er will. Die Cephalics sagten, sie wären auch wieder dabei. Auf “Therapist“ ist ja nicht nur Leonard zu hören, sondern auch Bassist Nicholas Schendzielos. Trotzdem ist die Vocal-Sache aber bis zum Schluss vage. Nochmal 2 Jahre werden wir nicht auf die Zusendung von Vocaltracks warten. Nicholas sagte zwar zuletzt, dass, wenn sie in einem Studio und nicht unterwegs im Bus aufnehmen würden, alles etwas besser zu koordinieren und vor allem zu sortieren sei, ich glaube aber erst wieder an amerikanische Pünktlichkeit, wenn ich die neuen Tracks in Händen halte, haha.
Was ich mir aber vorstellen kann, ist, dass Fake Idyll durch „Therapist“ einen
gewissen Bekanntheitsgrad als das Projekt mit den Gastsängern erlangt. Die Promotion zu dieser EP hat ja gerade erst begonnen. Releast wird sie erst im September. Robert (Nowak), ich und Chris (Christian Neumann) basteln also erstmal wieder einfach drauf los und gucken dann mal, was passiert.


Wie kommt man eigentlich so selbstverständlich an einen Herrn Leal von Cephalic Carnage?

Leonard hatte ich einfach angeschrieben und gefragt, ob er dabei ist. Er hatte sich als echter Metaller erwiesen und sofort zugesagt. Trotzdem dauerte es von der Zusage bis zu dem Zeitpunkt an dem wir die Vocaltracks hatten ganze 2 Jahre. Vielleicht ist das auch Metal; oder einfach nur amerikanisch.


Hat Leonard im übrigen alle Texte geschrieben? Denn Vieles ist ja auch auf Deutsch, wenngleich mit ebenso viel Willkür, wie die Entstehung an sich, wenn ich das so sagen darf.

Ja, Leonard hat alle Texte geschrieben. Bei den deutschen Passagen haben ihm Busfahrer, Tourmanager, Fans und Groupies geholfen, denke ich mal. Es gibt auch Passagen auf Französisch, die hat der Canadier Kevin McCaughey improvisiert.

Schlagzeugaufbau
Schlagzeugaufbau




Das Line-Up mit Gastsänger aufzufüllen ist ja auch eine gute Sache und unterstreicht zudem deinen Willkür-Anspruch. Das hat bei Dave Grohls Probot auch schon funktioniert. Wenn du sagst, dass du Drums aufnimmst und zerschneidest, kannst du sie am Ende noch spielen, oder ist das nicht von Belang bei dieser Sache?

Doch. Ich sagte ja schon, mir ist es wichtig, dass alles spielbar klingt und es auch ist. Technische Errungenschaften sollten auf keinen Fall benutzt werden, um Unspielbares zu produzieren. Sie sollen einfach nur beim Songwriting helfen. Durch das einfache Hin- und Herverschieben von Parts entstehen Ideen, auf die man im Kopf gar nicht gekommen wäre. Auch, dass man Riffs über verschiedene Beats, die im selben Tempo sind, ausprobieren kann und deren Startpunkt auch mal um ein, zwei oder dreieinhalb Noten verschieben kann ist toll und führt zu Überraschungen. Und durch die Funktion Strg Z riskiert man noch nicht mal was. Das alles war mit Bändern früher nicht möglich, beziehungsweise verbunden mit extrem hohem Aufwand und Qualitätseinbussen was den Sound betraf.

Toms platzieren
Toms platzieren




Um mal auf den schönen Namen eurer Platte zu kommen. Wie darf man das verstehen, Herr Kather: „Therapist“, in welchem Wortsinne? Ist so ein ausgefallenes Projekt eine Art Therapie, ein Befreiungsschlag für dich, oder wird hier mit dem Hammer auf die derzeitige Missbrauchs-Kultur gedroschen?

Der Titel ist von Leonard. Klar, es geht um das Wortspiel Therapist – The Rapist. Ansonsten habe ich da noch nicht weiter drüber nachgedacht. Ich glaube, Leonard auch nicht.


Da kann man ja bis zum Release noch verschiedenste Intentionen proklamieren. Zur Spielbarkeit - gilt das für dich, oder setzt du dieses Kredo generell an Bands, die du über Unundeux vertreibst? Ich denke da gerade an die Reanima/ All Falls Down Split. Das können die Herren auch alles spielen? Und wo wir schon gerade bei anderen Bands sind. Du spieltest ja mal Session-Drums bei Six Reasons To Kill. Wo hast du eigentlich noch deine Finger im Spiel?

All Falls Down habe ich schon live gesehen. Vor allem live haben die uns überzeugt. Totale Energie! Trigger heißt die technische Errungenschaft, die solch' modernes, hyperschnelles Drumming möglich macht. Für mich ist das nichts als Handwerker der alten Schule. Ich finde, man muss immer voll drauf hauen müssen und vor allem schwitzen. Und auch Jazztechniken haben im Metal-Drumming nichts verloren. Finde ich. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur neidisch, weil ich das selber alles nicht kann. Zu meiner Zeit gab es Metal in Musikschulen einfach noch nicht; und Dave Lombardo und sogar Lars Ulrich galten als die besten Drummer.
Sessiondrummer war ich mal bei Black Messiah. Bei Six Reasons To Kill war ich ausschließlich live am Schlagzeug. Bei beiden Bands würde ich aber nicht von Finger-im-Spiel sprechen. Die Finger werde ich in Zukunft noch hier und da im Spiel haben. Es sind diverse Projekte geplant. Nach dem Ende von Japanische Kampfhörspiele habe ich mir im eigenen Keller ein Aufnahmestudio für Schlagzeug eingerichtet und will in den nächsten
Jahren erstmal nur produzieren, produzieren, produzieren. Vor allem das Rumgegurke hatte mich zuletzt genervt, daher bin ich froh, dass nun erstmal keine Konzerte gespielt werden müssen. Irgendwann habe ich da sicher wieder Bock drauf. Mit wem oder was, wird sich dann ergeben.


Heute geht es in den meisten Richtungen ja auch nur noch mit Gravity-Blasts und solchen Scherzen. Das schlimmste Beispiel ist die neue Morbid Angel-Platte...das klingt so artifiziell, dass es kaum noch Spaß macht, seine Drumspuren rauszuhören. Da lobe ich mir doch Doom-Metal, da ist noch deftig Groove drin. Wie setzt sich eigentlich deine Arbeit im Studio zusammen? Suchst du dir selbst Bands und gehst auf Konzerte oder kommen viele einfach so rum?

Das Studio ist in erster Linie für den Eigenbedarf. Eigentlich ausschließlich. Ende des Monats trommelt ein Freund was für das JAKA Tribute-Album ein, ansonsten bin ich selbst der einzige Gast. Ein Studio bedeutet ja heutzutage nur: Laptop, externe Soundkarte, 8 Mikros,
8 Kabel. Dass man mal so unabhängig drauflos basteln kann, hätte ich mir als 20Jähriger niemals träumen lassen. Ein Segen sind diese Computer! Für den Grafittiblast habe ich mir noch zwei Sprühdosen besorgt. Schwarz und Weiß.


Achso, ich dachte dort sind auch teilweise eure Unundeux-Zöglinge drin. Zu guter Letzt könntest du noch beantworten, wie die Arbeiten zum eben erwähnten JAKA-Tribute stehen. Was kann man denn demnächst noch von dir erwarten und mit wem würdest du vielleicht gern einmal ein Projekt auf die Beine stellen? Von meiner Seite gebührt dir größter Dank und ich wünsche alles Beste für die Zukunft!

Ich habe zu danken für soviel ehrliches Interesse. Zu sonstigen Projekten will ich noch nichts sagen. Sicher ist aber, dass weiter gefeuert wird. Alles Wichtige und Spruchreife erfahrt ihr stets auf Unundeux.de. Einen Newsletter gibt's da auch zu abonnieren. Was das Tribute-Album angeht, so wird dies Unundeux wahrscheinlich ruinieren. Ich befürchte, dass tatsächlich alle Bands, die ihre Teilnahme angekündigt haben, auch tatsächlich was einsenden. Zurzeit flattert im Schnitt alle zwei Tage eine fertige Cover-Version ins Haus. Wenn das am Ende eine 3fach-CD wird, dann gute Nacht. Machen werden wir sie aber natürlich auf jeden Fall!