Wie gut es sich auf einer Autobahn aus Grabsteinen fährt, möchte ich hier nicht weiter ausführen. Dennoch muss man diesem etwas speziellen Transportweg einen außerordentlichen Klang, fernab von chaotischen Gerumpel, attestieren. Der eingeschlagene Weg führt nach Süden und beschert uns souveräne Southern Metal-Riffs, die einem auf "Ruralizer" nur so um die Ohren gehauen werden. Die Truppe um Gitarrist und Sänger Ferdinando "H.M. Outlaw" Marchisio a.k.a. Herr Morbid kommt aber, wie der Name vermuten lässt, nicht aus Texas, sondern aus dem wunderschönen Emiglia-Romagna in Italien. Sonne hat man dort meistens auch und an zu besingenden Problemen mangelt es im Stiefel dieser Tage auch nicht. Doch die harten Krisen werden gar nicht so groß bedient, denn Tombstone Highway stehen mit beiden Füßen fest in der Tradition des südamerikanischen Blues und Rock 'n' Rolls. Der Hut sitzt schräg auf der verschwitzten Mähne, die Kippe hängt lässig im Mundwinkel und neben den abgewetzten Stiefeln landet ein brauner Rotzfladen. Bei diesen Jungs wird der Highway nicht befahren, hier reitet man noch.

Jedenfalls im Opener "Old Blood" wird dieses Bild stark gemacht und man kauft es den Jungs auch ab. Besonders, wenn gleich zu Beginn das Banjo einsetzt und man gar nicht umhin kommt, lustig mit dem Kopf zu wackeln. Seit langem einer der stärksten Opener, den ich auf einem Full-Length-Debüt gehört habe. Fast sogar zu stark, denn diesen Effekt können Tombstone Highway an keiner zweiten Stelle wiederholen. Auch, wenn das Banjo für den ebenfalls starken Titeltrack "Ruralizer" noch einmal raus geholt wird.
Ist das Album also Mist und nur ein One-Hit-Wonder? Keinesfalls, nur hat es nicht durchgängig den Schneid, welcher mit "Old Blood" verkörpert wird. Mit "Alfa Romeo (sic!)" driftet man bisweilen sogar in eine Art Kitsch ab. Nicht weiter schlimm, denn gleich darauf geht man wieder voll in klassischen Southern Rock-Riffs auf. Wuchtig-bestimmte Drums treiben ordentlich an und man weiß immer genügend Druck aufzubauen. Dabei ist man nie um die richtige Portion Groove verlegen, der sowohl an den doomigeren Stellen der Platte greift, als auch in den schnelleren Passagen. Schwäche kann sich ein echter Kuhjunge auch nicht leisten und so bleibt der Gesang auch stets angenehm kraftvoll und authentisch. Die Stimmfarbe ergänzt sich mit den Gitarren und bei Songs wie "Bite The Dust (And Bleed)" könnte man meinen, ZZ Top haben wieder zu alter Form gefunden.
Den Südstaaten-Sound hat man definitiv getroffen und muss Vergleiche mit amerikanischen Größen nicht scheuen. Das mit 9 Minuten längste Stück, "At The Bitter End", klingt dann beinahe noch wie eine Mischung aus Guns 'n' Roses und Soundgarden, behält aber dennoch seine ganz eigene Note. Wie wichtig das vernachlässigbare Mountain-Cover "Mississippi Queen" ist, bleibt diskutabel. Meines Erachtens eher was für die Bühne, doch so baut man wenigstens noch ein paar Klischees ein, bevor es mit dem deutlich heftigeren "Hangman's Friend" in den Endspurt geht. Tombstone Highway wissen definitiv, was sie da machen und dafür haben sie ja auch 6 Jahre gewartet.

Der Verländlicher hat hier kein Trockenbeet angelegt, sonder vielmehr eine fruchtbare Weide, die mit allerlei Köstlichkeiten bepflanzt wurde. Ob es wirklich angemessen ist, dass hier Doom in die Genrebeschreibung einzubeziehen ist, wage ich mal zu verneinen, denn wo man hier langsam wird, zeigt man eher gut erlernte Blues Rock-Taktiken, die vollends aufgehen. Mit "Ruralizer" haben die Italiener eine kurzweilige und zeitweise überraschende Platte geschrieben, die gut und gerne zwei, drei Durchläufe machen kann, ohne dass einem schlecht wird. Beim zweitem Mal ist man sich dann auch sicher, dass von den Italo-Cowboys doch keine südeuropäische Automarke ("Hellfire Rodeo") besungen wird. In diesem Sinne, Bunga, Bunga!

Tombstone Highway · Ruralizer · 2013

Redaktion

verfasst von Winterfreud666
vom 25.03.2013

7 / 10

Playlist

01 - Old Blood
02 - Acid Overlord
03 - Graveyard Blues
04 - Hellfire Rodeo
05 - Ruralizer
06 - Bite the Dust (and Bleed)
07 - At the Bitter End
08 - Mississippi Queen
09 - Hangman's Friend