Es gibt Platten, die gehen so tief ins Gehirn, dass man darüber vergisst, hier eigentlich einen Rezensionsartikel vorliegen zu haben, der nach einer schriftlichen Abhandlung verlangt. Lieber lässt man das gute Stück mehrere Wochen im Auto kreisen, bis man die Songs regelrecht mitpfeifen kann und an den prägnanten Stellen ein Stück Text mitspricht. „Et Lux Perpetua“ von den Briten My Silent Wake ist ein solcher Kandidat. Ein Song-Konglomerat von hoher Güte, dass unerwartet großartig ausgefallen ist. Dabei ist jener Silberling nun bereits das vierte Werk der 2005 gegründeten Kapelle; mir bisher leider gänzlich unbekannt, was sich nun zum Glück geändert hat.
Wenn die Platte mit dem Titeltrack einsteigt, schreit vermutlich die Majorität der Hörer: „Amon Amarth!“ Womit sie auch nicht ganz Unrecht haben, denn eine der recht mannigfaltigen Stimm-Facetten klingt tatsächlich nach dem langbärtigen Barden der Wikinger-Schweden. Tief-grummelnde Growls und ächzende Screams liefern hier einen funktionalen Kontrast zu den korrelierenden Clearvocals, welche weitaus verträumter und irgendwie schwebend wirken; beinahe ist man versucht, es als sphärisch zu bezeichnen, was hier auf Gesangsebene passiert. Der dargebotene Melodic Death Metal ist zwingend mit dem Doom-Label zu versehen, denn keuchend-knarzend schiebt sich der sentimentale Brocken aus Verzweiflung und Ärger unaufhaltam voran, ohne an Kraft und Anmut zu verlieren. Stellenweise ist man sogar versucht, den Ahab-Vergleich zu ziehen, was vor allem auf „Father“ zutrifft, aber auch in der restlichen Platte wie ein Gischt-Hauch zu spüren ist.
Auch rudimentäre Viking-/ Folk-Anleihen sind zu entdecken, die in ihren melodischen Auswüchsen durchaus mal an Thyrfing erinnern („Graven Years“, „Bleak Endless Winter“) und nicht davor scheuen, kurzerhand in groovigen Blues Metal auszuarten, wie bei „Between Wake and Sleep“ geschehen. Groovig ist indes die komplette Scheibe; von vorn bis hinten rollt die Maschinerie durch und versprüht ihren bezirzenden Charme in leicht psychedelischer Post-Rock Manier. Damit einher geht eine gewisse Schwerelosigkeit, die etwas an Zoroaster und auch Doomshine erinnert; man könnte sagen, dass My Silent Wake für den Death Metal Sektor das machen, was Glorior Belli und Kollegen wie Nachtmystium oder Enslaved sich im Black Metal auf die Fahnen geschrieben haben. Shoegaze-Death in feinster Ausführung mit Albtraum-artigem Wachkoma Gefühl. Dabei wurde mit „Death Becomes Us“ wohl eines der eingängigsten Riffs der letzten Jahre geschaffen, das selbst im Schlaf noch durch den Cortex flattert.
Das Ende wird mit dem Clearvocal-lastigen „Journey's End“ manifestiert und es passt. My Silent Wake nehmen ein mit; von den Wolken-behangenen Dover-Klippen über die einsam-verschlafene Mitte der Insel direkt in die düsteren Regen-Berge Schottlands, wo man bebend und zitternd in die geistige Freiheit entlassen wird. Gleichwohl die religiöse Reminiszenz an Mozarts Requiem im Titel einige Atheismus-Fanatiker abschrecken könnte, dieses Licht leuchtet zurecht. In diesem Sinne, auf in endlose Traumwelten.