"Das Seelenbrechen", die nunmehr fünfte Veröffentlichung des wagemutigen Norwegers, macht alles anders, vieles gleich und wirkt dadurch gewollt chaotisch und ungewollt inkonsequent. Man kann es hassen, man kann es lieben oder wird dem Album gegenüber völlig indifferent. Wem der Sinn nach Liebe steht, der muss viel Arbeit investieren, wem mehr am Hass liegt, hat hier leichte Karten. Mit "Das Seelenbrechen" sortiert Ihsahn konsequent aus, denn für Gelegenheitshörer ist hier kein Platz mehr.

Schon gut zehnmal habe ich nun mit Unbehagen auf diesen einen Ordner geklickt, mit dem sicheren Wissen, dass es mir nach den knapp 50-Minuten nicht besser gehen wird als vorher und ich noch immer keine wirklich repräsentative Meinung zu Tveitans Nietzsche-Ausflug haben werde. In "Hilber" steckt zwar noch viel "Eremita", doch das ist nur Mittel zum Zweck. Der Opener wirkt vertraut und ist dennoch um ein Vielfaches progressiver und abstrakter. Doch die progressive Spirale nimmt jetzt erst so richtig Fahrt auf. Song für Song werden die Arrangements komplexer, modularer und in einer gewissen Art und Weise willkürlicher. "Das Seelenbrechen" besteht nur aus isolierten Szenen. Es vermittelt den Eindruck einzelner Bilder, die nur marginal und kaum spürbar miteinander verwoben sind. Es scheint kein Thema, keine klar umrissene Idee zu geben. Wo die früheren Alben noch durch Ihsahns unverkennbare Vocals eine Linie bekommen haben, wirken hier hauptsächlich Breaks und motivische Streicher-Elemente wie entfernte Vertraute. Das Konzept dieser Platte ist der Bruch mit Routinen. Kaum ein Song endet erwartungsgemäß, kaum ein Riff entwickelt sich stringent. Und natürlich ist das die große Idee dahinter. Das Album fordert den Hörer auf, sich Gedanken zu machen. Man muss sich in "Das Seelenbrechen" hineinarbeiten, wenn man einen Zugang finden will. Wer das nicht will, schafft erfahrungsgemäß kaum die ersten 20 Minuten dieses Sammelsuriums und es fällt schwer, weitere Anläufe zu wagen.

Der Bruch mit jeglicher Stringenz ist eine herausfordernde und komplizierte Arbeit und verlangt nach viel musikalischem Verständnis. Dass dieses Vorgehen indes nicht hilfreich ist, um neue Hörer zu akquirieren liegt auf der Hand. Ihsahn weiß das und hat es genau darauf angelegt. Er bewegt sich mit "Das Seelenbrechen" deutlich aus der musikalischen Komfortzone heraus. Sowohl für sich selbst, als auch und speziell für den Hörer. Nur schwer lässt sich eine Linie erkennen und auch nach mehrmaligen Durchläufen ist es kaum als Vergnügen zu bezeichnen, diese Platte zu hören. Man wird in der Tat gebrochen und zwar in dem Sinne, dass man sich stetig und ohne Antwort fragt, wieso "Das Seelenbrechen" einem derart den Zugang verwehrt. Und diesen Grund muss wohl jeder für sich selbst finden. In meinen Augen bleibt "Das Seelenbrechen" auch nach langem Hören nur ein Sammelsurium, eine lose Aneinanderreihung abstrakter Konzepte zwischen Korn ("Pulse", "Rec"), Doom ("Sub Alter", "See"), Free-Jazz ("Tacit 2", "Tacit") und halbherzigem Psychedelic-Rock ("M"). Nicht zu bewerten erscheint mir daher die adäquateste Bewertung.

Ihsahn · Das Seelenbrechen · 2013

Redaktion

verfasst von Winterfreud666
vom 27.11.2013

keine / 10

Playlist

01 - Hilber
02 - Regen
03 - NaCl
04 - Pulse
05 - Tacit 2
06 - Tacit
07 - Rec
08 - M
09 - Sub Alter
10 - See