Ganze zehn Jahre hat es nach "Sideshow Symphonies" gedauert, bis die Norweger Arcturus endlich ihr kollabiertes Schiff wieder zum Laufen bekommen haben, um eine neue Reise in vermeintlich unerforschte progressive Welten zu unternehmen. Auf ihren Reisebericht warteten bereits Horden, die lechzend an den Lippen des hühnenhaften Frontmanns Simen "ICS Vortex" Hestnæs kleben sollten. Doch die Zeit scheint nicht gnädig zu den musikalischen Hasardeuren gewesen zu sein, denn lauscht man den Logbucheinträgen, muss man sich wirklich fragen, ob Arcturus bei diesem ruckelnden Getriebe nicht gleich wieder Schiffbruch erleiden werden.

Nach einer doch arg an "Das fünfte Element" von Luc Besson erinnernden Einleitung, entlassen einen die fünf Norweger in ihre vor elektronischen Beats, hochgepeitschtem Gesang und krampfhaft verspielten Riffs nur so strotzende Welt des Wahnsinns. Eins wird sofort klar, Arcturus wollen anders klingen, haben dabei nur vergessen, dass wir eben nicht mehr 2005 haben und bereits einige Bands, und davon nicht gerade die rühmlichsten, mit Dub-Step, Elektro und Deep Bass gearbeitet haben. Das riesige Alleinstellungsmerkmal können sich Arcturus damit schon mal nicht schaffen. Ganz im Gegenteil, sie positionieren sich damit in einer äußerst fragwürdigen Sparte.
Bleibt noch der sehr spezielle Gesang des ehemaligen Dimmu Borgir-Bassers, welcher einst durch opernhafte Ansätze überraschen und durch eine klare und kraftvolle Präsenz überzeugen konnte - leider Fehlanzeige. ICS Vortex hat sich für "Arcturian" ein omnipräsentes Auslaut-Gejaule angeeignet, welches einem schon nach den ersten drei Songs massiv Kopfschmerzen bereitet. Der Gesang auf "Arcturian" klingt nach einer ironischen und vor allem bierseeligen Karaoke-Performance. Stimmige Vocals, die unter Umständen noch einiges hätten retten können, sucht man vergebens.
Auch am Sound krankt "Arcturian", was sich besonders auf Seiten des Schlagzeugs manifestiert. Ganz abgesehen davon, dass ich von Hellhammer anderes Drumming gewohnt bin (ja, tatsächlich, das Zeug spielt Hellhammer), erinnert besonders der Snaresound an ein billiges Roland TD-3. Das dadurch entstehende Trigger-Klicken lässt jedwede Atmosphäre verpuffen und die Scheibe wirkt wie ein Proberaum-Demo, welches man durch schlechte Midi-Sounds noch zu retten versucht hat.
Arcturus standen vor der schweren Aufgabe, eine Album abzuliefern, bei dem alle mit offenen Mündern vor ihrem Plattenspieler stehen und vor progressiver Ehrfurcht nur noch erzittern können. Doch genau dieses haben sie bereits 2005 abgeliefert und anno 2015 schaffen sie es nicht ansatzweise an diese Epoche heran. Lediglich die Songs "Angst" und "Bane" lassen erahnen, aus welcher Richtung Arcturus einst kamen - denke ich daran zurück wird mir eher Angst und Ban(g)e.

Zugegeben, wer sich auf Arcturus einlässt, muss sich auf komplexe, weitläufige und musikalisch facettenreiche Stücke einstellen. "Arcturian" erweist sich jedoch als ein One-Trick-Pony, welches durch redundante Strukturen und schlechtes Mastering viel Potential verschenkt und so mit Nichten an Glanzstücke wie "Aspera Hiems Symfonia" oder "Sideshow Symphonies" heranreichen kann. Nach dieser durchaus fordernden Dreiviertelstunde fragt man sich zurecht, ob man die Jungs nun besser mit Skrillex oder Ihsahn auf Tour schicken soll. Ich möchte beides nicht sehen.

Arcturus · Arcturian · 2015

Redaktion

verfasst von Winterfreud666
vom 30.09.2015

5 / 10

Playlist

01 - The Arcturian Sign
02 - Crashland
03 - Angst
04 - Warp
05 - Game Over
06 - Demon
07 - Pale
08 - The Journey
09 - Archer
10 - Bane