Ein erster fetter Drumbeat überrumpelt den ahnungslosen Hörer und schubst ihn höflich, aber bestimmt durch die Pforten eines weiten Raumes, der nur in den Köpfen dreier Norweger existiert. Mit aufpoliertem Death-Proof-Feel legt hier ein erster Song ordentlich Tempo vor. „Presenting the Problem“ nennt sich die brandneue Scheibe des Hardrock-Trios Ribozyme – das bereits fünfte Album der Band und das zweite, das von der aktuellen Mannschaftsaufstellung eingespielt wurde. Schon seit 1998 produzieren Ribozyme aus Bergen, Norwegen, einen klaren, mal schnellen, mal gediegenen Rock-Metal-Crossover-Sound und driften dabei gern mal in Richtung Progressive oder Alternative Metal.

Bei diesem Album wurden zehn sehr unterschiedliche Songs auf eine Scheibe mit ca. 40 Minuten Länge gepackt. Nach dem Titeltrack „Presenting the Problem“ geht’s genauso rasant weiter. Eine Verschnaufpause darf man sich erst mitten im vierten Track („Over the Galvanized“) gönnen, wo man plötzlich in einem verträumt epischen Wall-of-Sound-Erlebnis aufgefangen wird. Von da an folgen schwerfälligere Songs mit eigenwilligen, progressiven Rhythmen, elektronischen Spielereien und Störgeräuschen. Die Stimmen des Leadsängers und des Zweitvokalisten (bei „Scale of Values“ auch die von Fredrik Saroea von Datarock) fügen sich überall gut ein. Eindringlich und schnörkellos werden die Texte vorgetragen. Was gesagt werden muss, wird gesagt – oder eben geschrien – aber immer mit Stil. Sänger Kjartan Ericsson hat ein gutes Händchen für eingängige Kombinationen aus Refraintext und Melodie und dabei kommt er manchmal ganz ohne Reime aus. (Kreativität schlägt Phonetik!) Das Album schließt mit Konzertflügelklängen überraschend sanft, melancholisch … mutig, wie ich finde, und unkonventionell. Von thematischer Schleife oder akustisch-rhetorischem Spannungsbogen keine Spur. Man wird hier schon ein bisschen an der Straße zum Nirgendwo rausgeworfen, macht aber nix. Wir können ja laufen, und wer kommt nach einer Reise schon an genau „demselben“ Ort wieder an?

Wenn man Ribozyme googelt, landet man öfter unfreiwillig bei dreidimensional strukturierten RNA-Molekülen. Is auch interessant, aber im Moment muss man noch sehr beherzt nach der Band suchen. „Presenting the Problem“ ist auf jeden Fall ein sehr gutes, facettenreiches Album, das durchaus auch breitere Massen als nur die eingefleischten Heavy-Metal- und Rock-Gemeinden ansprechen könnte. Das Einzige, was ich zu bemängeln hätte, sind die teilweise vorhersehbaren, wenn auch unglaublich schönen Akkordfolgen und Melodieführungen. So ist beispielsweise „Over the Galvanized“ mit sechseinhalb Minuten ein sehr cooler, langer Track, eine Odyssee mit verschiedenen Stationen - und bei jeder denkt man: Waaarte, hier sind wir schon mal gewesen. Der Song ist ein Flickenteppich aus fünf verschiedenen Songriffs und Gesangsmelodien, die einem bekannt vorkommen. Deswegen ist die Musik nicht gleich ein Plagiat, irgendwie nicht einmal einfallslos. Sie wirkt eher ZU inspiriert. Aus diesem Grunde muss man sich Ribozymes „Presenting the Problem“ mehrfach – mit Kopfhörern – zu Gemüte führen, um sich ein Urteil bilden zu können. Das Album gewinnt bei jedem erneuten Reinhören an Charakter, je mehr Details man im Flickenteppich entdeckt hat. Aus der Entfernung sieht sowieso alles grau aus! Deswegen will ich zuletzt bemerkt haben: eine unkonventionelle Scheibe, anspruchsvolle Texte, astreine Vocals und ein sauber produziertes Raumklangerlebnis.

Ribozyme · Presenting the Problem · 2012

Redaktion

verfasst von Madword
vom 29.02.2012

8 / 10

Playlist

01 - Presenting the Problem
02 - Lending a Fever
03 - Leverage
04 - Over the Galvanized
05 - Caskets
06 - Downside Advantage
07 - Scale of Values
08 - Rewatched
09 - Paid in Graves
10 - The Bricks Went Flying