Neurosis sind in einer Phase ihrer Bandgeschichte angelangt, in der sie eigentlich machen können was sie wollen: Die Fans lieben sie und als geschmackssicherer Kritiker darf man eigentlich gar keinen Verriss zu einem Neurosis-Album schreiben, besonders wenn man im Fall von „Honor Found in Decay“ 5 Jahre darauf warten musste.

Es ist aber auch praktisch unmöglich Neurosis für das was sie machen nicht zu mögen. Kein hypendes Label im Rücken, verlassen sich die Kalifornier nur auf ihren eigenen Geschmack und haben es sich in ihrer Doom/Sudge/Post-Ecke so gemütlich gemacht, dass sie praktisch alles dürfen... und können. Als Beispiel dafür dafür kann „At The Well dienen“, eine langsame, depressive Nummer die über 5 Minuten ein staubtrockenes Sludge-Riff zelebriert, dem Scott Kelly eine richtig verzweifelt klingende Stimme an die Seite stellt. Wähnt sich der Hörer hier schon in Sicherheit, stößt plötzlich ein Dudelsack(?) in diese gottverlassene Traurigkeit und schwingt den Song zu neuen sphärischen Höhen auf, nur um ihn im nächsten Moment kollabieren zu lassen. Damit ist der Song aber noch nicht zu Ende, sondern fräst sich nach einem fast schon entspannenden Interlude schließlich zu den immer wiederholenden Worten „In a shadow world“ endgültig in den Verstand des Hörers.

Neurosis arbeiten dabei wie keine andere Band des Genres mit Dynamik. Laut und Leise stehen im ständigen Kampf gegeneinander, immer wieder wird man von der Progression der Songs kalt erwischt und schließlich immer tiefer in den Abgrund gerissen. Die mittlerweile für die Band typischen, stampfenden Sludge-Riffs sind wieder vorhanden, das gesamte Album wirkt aber im Gegensatz zum Vorgänger mehr vom Ambient- als vom Noise-Genre inspiriert. Die Unterschiede sind zwar groß genug, um nicht wie eine simple Wiederholung der Bandgeschichte zu klingen, dennoch ist „Honor Found in Glory“ kein Sonderling in der Diskografie. Unmissverständlich ist es ein Neurosis-Album: Düster, verzweifelt und beklemmend. Kritiker und Fans werden es lieben. Der Rest kommt vielleicht auf den Geschmack. Oder auch nicht. Neurosis darf es egal sein.