Die ukrainische Metal-Szene führt auf dem europäischen Markt ein ziemliches Nischendasein. Während die polnischen Nachbarn das Genre vor allem bei den extremen Spielarten maßgeblich beeinflusst haben, muss man wohl eine Weile überlegen, bis einem irgendwelche ukrainischen Bands einfallen. Fleshgore vielleicht und natürlich das ganze Gemenge um Drudkh. Das war es dann aber auch schon. Dabei hat auch der ukrainische Underground eine ganze Menge zu bieten, wie Flying beweisen.
Die Melodic Death Metal Band ist seit 1998 unterwegs, hat es aber nie zu internationaler Bekanntheit gebracht. Immerhin durfte man in der Heimat mal Vorband für Cradle of Filth und Rotten Christ spielen. Total Metal Records beschert dem aktuellen Album „Graceful Murder“ nun einen weltweiten Release und das hat gute Gründe.
Der wichtigste: Man merkt man ihnen die langjährige Erfahrung an. Der Sound ist fett und die Riffs abwechslungsreich. Mit Metalcore hat das alles nichts zu tun, stattdessen wird die gesamte Bandbreite des Death Metal präsentiert, immer angereichert mit melodischen Elementen verschiedener Ausprägungen. Das klingt mal typisch schwedisch, mal kanadisch progressiv und mal nach der amerikanischen Schule, wie sie Devil Driver vertreten. Das alles fügt sich ziemlich harmonisch zusammen, so dass auch mal klare Gitarren oder ziemlich old-schoolige Soli erklingen können.
Trotz häufigen Tempowechseln ist der Großteil des Materials im Midtempo angesiedelt. Was insofern schade ist, dass Flying gerade in den schnelleren Momenten ihre Stärken ausspielen. Auch weiß man bei einigen Riffs nicht so richtig, welche Stimmung sie erzeugen wollen. Das Solo bei „Ordinary Scene“ ist zum Beispiel recht melancholisch, der Rest des Songs aber eher stampfend/wütend gehalten. Auch werden nicht alle Riffs immer bis zur vollen Entfaltung gebracht. So wünscht man sich irgendwann, die Ukrainer hätten mehr Augenmerk auf die schnellen Riffs gelegt und die Midtempo-Passagen abwechslungsreicher gestaltet. Was sie sich mit der Power Ballade „Reborn“ am Ende des Albums gedacht haben, wissen sie wohl nur selber. Dieser Song fällt so sehr aus dem Rahmen, dass man ihn geflissentlich übergehen kann. Wer in letzer Zeit mit December Flower glücklich geworden ist, oder immer mal wieder die Arch Enemy-Alben aus der Johan Liiva-Ära rauskramt, kann auch bei Flying zugreifen. Fest steht, dass auch die ukrainische Szene einige Überraschungen bereithält.