Fast fünf Jahre hat es gedauert, bis Lost Soul sich aufraffen konnten, ein neues Werk zu Stande zu bringen. In dieser Zeit gab es einige Veränderungen. So hat die Band das Label gewechselt (von Earache Records zu Witching Hour Productions) und fast ihr komplettes Line-Up dazu. Der einzige Überlebende des langen Marsches von "Chaostream" anno 2005 zu "Immerse In Infinity" anno 2009 ist Jacek Grecki, der sich nach wie vor für die Gitarren- und Stimmarbeit verantwortlich zeichnet. Dass dieser Bruch nicht spurlos an der Musik der polnischen Todeskapelle vorbeigehen konnte, war daher zu erwarten.

Doch gleich zu Beginn stellen die Mannen um Jacek Grecki klar, dass sie ihren Vorgängern in nichts nachstehen. Der Höhrer wird vom Opener "Revival" geradezu erschlagen: in rasendem Tempo und mit vielen technischen Raffinessen im Gepäck reisen die Polen durchs Universum und machen dabei keine Gefangenen. Das erinnert stark an "Chaostream" und lässt mich erst einmal wohlig aufatmen. Die Produktion ist dazu um einiges frischer und druckvoller, was aber einfach dem technischen Fortschritt auf diesem Gebiet zu schulden sein dürfte.

Die grundlegendste Veränderung im Sound Lost Souls dürfte der Schwund an langen, durchgezockten Melodie-Riffs sein. Die blieben mir bei "Chaostream" sofort im Ohr hängen. Dafür ist der gespielte Death Metal noch schneller, brutaler und oftmals vertrackter, manchmal sogar angejazzt. Letzteres soll wahrscheinlich zu einem "zeitgemäßerem" Klanggewand beitragen. Doch ehrlich gesagt klingen die vier Jungs immer noch an den Stellen am besten, wo sie in Hochgeschwindigkeit oder mit einem Mörder-Groove alles niederreißen – und nicht dort, wo experimentiert oder in fremden Gefilden gewildert wird.

So geschehen bei "... If The Dead Can Speak?", dass äußerst stark an Soulfly erinnert und sich irgendwie nicht ins Gesamtbild der Platte einpassen will. Es ist prinzipiell kein schlechter Song, aber er wirkt beim Durchhören des Albums wie ein Fremdorganismus. Auch in "216" kann man hier und da Anleihen an die unerreichbaren Behemoth heraushören. "Simulation" beginnt folkloreartig mit Tribal-Rhythmen. Auch das eher eine Sache, für die hauptsächlich Behemoth und Nile bekannt sind. Doch das stört nicht, zumal Lost Soul auf "Immerse In Infinity" ein inhaltlich völlig anderes Grundthema anschlagen.

Kompositorisch kann mich "Immerse In Infinity" nicht so sehr überzeugen, wie es noch "Chaostream" tat. Ich erinnere mich da nur an das absolut geniale "The Birth Of Babylon". Auf dem aktuellen Output gibt es für meinen Geschmack zu viele Brüche innerhalb der Songs. Das Material ist nicht so leicht zugänglich. Vielleicht hätte ja nicht jedes Stück gleich sechs Minuten oder länger sein müssen, dafür aber mehr auf den Punkt gebracht?

Die negativen Kritikpunkte ändern jedoch nichts an der Tatsache, dass Lost Soul mit "Revival", "Divine Project" oder "One Step Too Far" ein paar richtige Kracher vom Stapel gelassen haben und auf der Länge einer guten Stunde durchaus überzeugen können.

Fazit: Was lange dauert, wird in diesem Fall endlich gut. Zum "sehr gut" müssen sich die vier Polen erst noch richtig zusammenfinden und ein wenig eigenständiger werden. Ein Fan brachialen Technical Death Metals kommt an dieser Scheibe trotzdem nicht vorbei.

Lost Soul · Immerse In Infinity · 2009

Redaktion

verfasst von ewonwrath
vom 06.01.2010

7 / 10

Playlist

01 - Revival
02 - Personal Universe
03 - ...If The Dead Can Speak?
04 - 216
05 - One Step Too Far
06 - Breath Of Nibiru
07 - Divine Project
08 - Simulation