Wer den Werdegang Opeths von Anfang an mitverfolgt hat, wird mir recht geben, wenn ich behaupte, dass man ihn in zwei Phasen einteilen kann. Die erste umfasst "Orchid", "Morningrise" und "My Arms, Your Hearse". Ab da veränderte sich der Stil der Schweden zunehmend und ihre Musik begann zu "reifen". Und auch, wenn ich als großer Opeth-Fan "Watershed" alle Genialität dieser Welt bescheinige, muss ich doch eingestehen, dass die ersten drei Alben einen Charme besitzen, der danach nicht wiederkehrte. Und daher wünschte ich mir schon so manches Mal, dass diese Phase doch länger hätte andauern können...

Warum, verdammt nochmal, schreibe ich hier eigentlich soviel über die schwedischen Progressive Death Metaller, wenn es doch eigentlich um die benachbarten Finnen Ikuinen Kaamos gehen soll? Ganz einach: sie haben mit "Fall Of Icons" den inoffiziellen Nachfolger zu "My Arms, Your Hearse" geschaffen. Klingt komisch, ist aber so. Wo man bei den meisten Bands sagen würde, dass sie wie eine Mischung aus "so und so" klingen, bin ich bei Ikuinen Kaamos versucht, nur das zu erwähnen, was nicht(!) nach Mikael Åkerfeldt und Co. klingt. Kommt jetzt deswegen ein Verriss der Finnen, die mit "Fall Of Icons" ihr zweites Full-Length-Album nach dem 2006er "The Forlorn" eingespielt haben?

Nein. Und zwar aus verschiedenen Gründen. Zuerst einmal, da das Quintett eine überzeugendere "Opeth-Kompilations-Technik" an den Tag legt, als ich es je zuvor erlebt habe. Sie kopieren wahrlich nur die starken Seiten, wie die doppelläufigen Leadgitarren-Melodien oder die melancholischen Akustikgitarren-Parts, dazu den Mikael Åkerfeldt nachahmenden Gesang im Grunzbereich oder die Laut-leise-Dynamik. Natürlich nicht zu vergessen die epische Länge der Tracks sowie der Verzicht auf viel Brimborium abseits der Basis-Instrumente einer waschechten Metal-Kapelle. Alles Markenzeichen, durch die sich vor allem die ersten Langspieler der Schweden auszeichnen.

Das Erstaunliche ist, dass es Ikuinen Kaamos gelingt, ihre hörenswerten Songs mit enormer Frische und der typischen Prise "finnisch" rüberzubringen. Damit meine ich die gewisse Melancholie, die man wohl nur nördlich des Polarkreises fühlen und spielen kann ("Ikuinen Kaamos" bedeutet bezeichnenderweise soviel wie "ewig währende Polarnacht"). Pate für dieses einzigartige Gefühl bestimmter Beschwertheit steht beispielhaft "In Ruins". Ein Track, der aber auch andere Qualitäten der Gruppe aufzeigt, wie Risto Herranens genialen cleanen Gesang, tolle Blastbeats und gefühlvolle Midtempo-Parts.

Hier beginnt sich ein eigenes Profil herauszuschälen, das Freude auf mehr Überraschungen macht, die auf "Fall Of Icons" jedoch größtenteils ausbleiben. Im Endeffekt kennt man das Meiste eben doch schon von Opeth. So oder so ähnlich... Aber von Überraschungen lebt "Fall Of Icons" ohnehin nicht. Vielmehr von einer äußerst dichten, fast schwarzmetallischen Atmosphäre, von einigen wirklich gelungenen und eingängigen Stellen, die – na, ihr wisst schon wer – nicht hätten besser hinbekommen können. Und das ist nun mal wirklich und definitv als Lob gemeint!

Wer wie ich noch immer gern in den Anfängen Opeths schwelgt, kommt an dieser Platte nicht vorbei und wird wissen, dass man sich solch ein Stück Musik am Stück und mehrmals zuführen muss, damit es seine endgültige Wirkung entfaltet. Doch um den Effekt zu vermeiden, dass sich der geneigte Hörer nicht ständig in einem Paralleluniversum Stockholms Mitte der Neunziger glaubt, sollten Ikuinen Kaamos bei ihrer nächsten Veröffentlichung das Fahrwasser Opeths – zumindest in dieser Deutlichkeit – vermeiden und ihre eigenen Stärken, die ja durchaus vorhanden sind, weiter ausbauen. In diesem Sinne: die Ikone muss fallen, lang lebe die Ikone!

Ikuinen Kaamos · Fall Of Icons · 2010

Redaktion

verfasst von ewonwrath
vom 20.03.2010

8 / 10

Playlist

01 - Indoctrination Of The Lost
02 - Statues
03 - In Ruins
04 - Condemned
05 - Apart