Es gibt so einige Zeichen, die bei „Under The Sign Of The Iron Cross“, dem neuen Output von God Dethroned, in Richtung Provokation gedeutet werden könnten. Zum Beispiel der Titel des Albums, der für sich stehend wohl noch keine treffsichere Aussage zulässt. Aber in Verbindung mit dem Artwork und Songnamen wie „Storm Of Steel“, „Fire Storm“ und „Red Baron“ sorgt das Ganze in meiner Magengrube langsam für ein mulmiges Gefühl. Freilich haben die Holländer in letzter Zeit bezüglich der Vertonung ihrer Sicht auf Historie nicht mit Kriegsthemen gegeizt. Doch ein ganzes Album unter diesen Stern zu stellen, wie schon auf „Passiondale“ geschehen, ist – zumal aus deutscher Sicht – wagemutig und rückt den inhaltlichen Aspekt nun mindestens genauso weit in den Vordergrund wie den musikalischen. Glückte dieser Drahtseilakt auf dem letzten Langspieler noch gerade so, gleiten God Dethroned in der Art ihrer Darstellung des Krieges nun zunehmend in eine fragwürdige Richtung ab.

Sie wollen den Zeigefinger erheben. Dafür bekommen sie sicher von allen Seiten Zustimmung. Doch die Art und Weise dürfte nicht jedem Schmecken, da die Texte zu großen Teilen versuchen, in aneinanderreihender, detaillierter und zudem nicht enden wollender Aufzählungsmanier das Grauen der Weltkriege zu beschreiben: Wo wird gestorben? Wie? Durch welche Waffen(gattung)? Nicht das reflektierte „Darüber-Sprechen“ regiert hier, sondern das unreflektierte „Den-Hörer-Hineinversetzen“. Abgesehen davon, dass man „Under The Sign Of The Iron Cross“ dann besser ohne Gesang zu einem x-beliebigen, Erste-Weltkrieg-Mod-fähigem Ego-Shooter laufen lassen kann und dabei immer noch mehr szenische Abwechslung verspürt, stellt sich bei solch einem Vorgehen auf der textlichen Ebene die Frage, wie das musikalisch am besten umgesetzt werden kann/sollte.

Entsprechend dem Motto, das schon in der Antike vertreten wurde, sollte die Form der Repräsentation gemäß dem Gegenstand gewählt werden, über den vorgetragen wird. Welches Genre eignete sich in diesem Falle besser als Death Metal? Nomen est omen – schon der Name ist Programm, und so können God Dethroned doch sicher nichts falsch machen. Fast richtig. Verlegten sie sich auf „Under The Sign Of The Iron Cross“ auf kaltes, stupides Hochgeschwindigkeits-Geprügel jenseits aller Emotionen, passte das exzellent zu den Texten und könnte in seiner steten Wiederholung ein und desselben Motivkomplexes als implizite Kritik am Krieg und seiner repetitiven Sinnlosigkeit verstanden werden. Von Seiten der Kunsttheoretiker und Philosophen würde es Applaus regnen!

Dieser Weg wäre äußerst extrem und konsequent. Doch welcher Death Metaller oder God Dethroned-Fan würde das Album dann noch hören wollen? So dachten sicher auch God Dethroned, die durch ein Mindestmaß an Massenkompatibilität sicher auch den Absatz ihrer Langrille auf dem hart umkämpften Musikmarkt absichern wollten. Daher haben sie sich entschieden, ihr Material ihrem Stil – und gerade nicht dem Thema des Krieges – entsprechend heterogener zu gestalten und neben dem überwiegenden Geholze und Gebolze des öfteren auch epische Passagen einzuflechten. Und an genau dieser Stelle entfalten sich Emotionen, die sich mit dem Thema des Krieges und seiner textlich geschilderten Grausamkeit eben nicht paaren sollten. Sonst wird der erhobene Zeigefinger schnell zur geballten Faust. Hier gerät die künstlerische Schilderung eines realhistorischen Gegenstandes durch morbide Emotionalisierung ganz schnell zu seiner (ideologischen) Verherrlichung. Eine Überzeichnung – und somit Umkehr ins zum Nachdenken anregende Zynische – gelingt nur im letzten Song „On Fields Of Death And Desolation“, wo auf das melodisch-epische Riffing die Zeile „join the march for victory“ gepflanzt wurde. Das kann mit Sicherheit nicht ernst gemeint sein und wird so auch jedem Hörer klar, bleibt aber in dieser expliziten Form eine Ausnahme und dementsprechend als schaler Nachgeschmack zurück.

Sind die letzten Töne von „Under The Sign Of The Iron Cross“ verklungen, bleibt man mit Sicherheit verstört zurück. Musikalisch haben God Dethroned nichts falsch gemacht: sie agieren schnell, präzise und mit viel Druck hinter den Instrumenten, bringen nichts Neues, das Altbekannte aber in solidem Gewand. Auch textlich kann man einen solchen Weg einschlagen, obwohl er irgendwann auch zur Sackgasse gerät, indem nur noch der Facettenreichtum der grausamen Schilderungen von Kriegsführung und -verbrechen regiert, der dahinter verborgene Mensch aber aus dem Blickfeld verschwindet. Wie gesagt, das geht als künstlerische Freiheit durch. Doch in Kombination weisen die textliche und musikalische Ausgestaltung der Songs des öfteren in eine falsch zu verstehende Richtung, wobei das Ganze dann durch das Coverartwork dummerweise eher abgerundet wirkt.

Zu „Under The Sign Of The Iron Cross“ lassen sich viele Fragen stellen, aber eine steht definitiv im Vordergrund: die der Verantwortlichkeit. Die Fortgeschrittenen unter uns im Buisiness des extremen Metals können diese Scheibe richtig einordnen. God Dethroned sind mit Sicherheit nicht in eine rechtspopulistische Ecke abgedriftet und schockieren uns eher mit dem Ausmaß ihrer nicht vorhandenen „Feinfühligkeit“. Doch wie steht es um den Nachwuchs im Metal? Wie steht es um das Image dieser Musikrichtung, ihre Präsentation nach außen? Liefern die Holländer eifrigen Kritikern hier eine Steilvorlage?

Was God Dethroned definitiv liefern, ist ein denkwürdiges Album, das zumindest in Deutschland weit über die Diskussion von Geschmacksgrenzen hinaus jede Menge Zündstoff bietet. Möge sich jeder sein eigenes Urteil dazu bilden.

God Dethroned · Under The Sign Of The Iron Cross · 2010

Redaktion

verfasst von ewonwrath
vom 01.12.2010

keine / 10

Playlist

01 - The Declaration Of War
02 - Storm Of Steel
03 - Fire Storm
04 - The Killing Is Faceless
05 - Under The Sign Of The Iron Cross
06 - Chaos Reigns At Dawn
07 - Through Byzantine Hemispheres
08 - The Red Baron
09 - On Fields Of Death & Desolation