Inzwischen wurden Fuck Your Shadow From Behind nicht nur vielfach für ihren Erstling „Freigeist“ gelobt, sondern ihr Erst- steht seit kurzem auch als ihr Letzling fest. Anfang September haben sie ihre Auflösung bekannt gegeben, Ende desselben Monats ihr Abschiedskonzert gespielt und damit nicht nur mich in ein Tal tiefer Trauer gestürzt. Nicht schnöde Bandquerelen, sondern die alltäglichen Probleme unterschiedlicher Lebensläufe haben diese zukunftsträchtige Kapelle um ihre Existenz gebracht, schade!

Warum? Nun, für alle, denen Fuck Your Shadow From Behind noch nicht bekannt gewesen sind: Es handelt(e) sich um eine Würzburger Kombo unter der Regie von Tobias Jaschinsky und Nikita Kamprad, welche auch für das nicht genug hervorzuhebende Black Metal-Projekt Der Weg einer Freiheit verantwortlich zeichnen. Doch Fuck Your Shadow From Behind bieten auf „Freigeist“ feinste Deathcore- bzw. Metalcore-Kost.

Da mag jeder zu Recht einwenden, dass gerade diese Genres inzwischen bereits so prall ausgefüllt sind wie das Dekolleté von Dolly Buster – und zwar auf ebenso artifizielle und überflüssige Art und Weise. Doch erheben sich Fuck Your Shadow From Behind aus dem Gros der Bands und lassen diese Genres damit wie den berühmten Phönix aus der Asche emporsteigen. Jung, spritzig, voller Dynamik, guter Ideen und schlüssiger Songkonzepte verbreiten sie auf ihrem Silberling eine mitreißende Stimmung – und das in deutscher Zunge.

Dabei geht es ihnen augenscheinlich nicht darum, ein Klischee zu erfüllen, um gut anzukommen, sondern einfach das zu spielen, was sie gut finden, was sie empfinden. Und so birgt „Freigeist“ von der ersten Minute an vor allem eines: Authentizität. Ein seltenes Gut und vor allem im Metalbereich zur blanken Hülle verkommenes Wort; wobei man sich immer fragen muss, ob der Trend von den Bands bzw. Labeln oder eher von den Fans vorgegeben wird. Stichwort „Konsum“...

Und da wären wir auch schon bei den Texten von „Freigeist“ angelangt. Wer sein Album solchermaßen betitelt, von dem erwartet man ja förmlich die musikalisch-lyrische Verkörperung der denkenden und sich gedachten Freiheit. Das liefern die Würzburger auch – glücklicherweise ohne jedes Heldenpathos, wie es beispielsweise dem Viking Metal gern und oft zukommt. Hier werden jegliche Gefühle uneingeschränkt vertont: Wut, Hass, Trauer, Ohnmacht. Nicht immer lohnt es im Metal, auf das Zusammenspiel von Ton und Wort/Gesang zu achten. Wer aber auf „Freigeist“ Titel wie „Es war die Zeit“ oder das Highlight des Albums „Zwielicht“ nicht in seiner Ganzheit erfasst, dem geht etwas Phantastisches verloren. (Auch das verstörende aber stimmige Artwork der CD muss ich in diesem Zusammenhang erwähnen!)

Und darin liegt wahrscheinlich auch der eigentliche Mehrwert des Albums begründet. Durch seinen absoluten musikalischen wie textlichen Tiefgang, seine Emotionalität und Spielfreude gelingt es „Freigeist“, in meinem Player seit langer Zeit dauerzurotieren und mich gefangen zu nehmen. Dabei fällt es schwer, abgesehen von dem bereits erwähnten „Zwielicht“, irgendeinen der anderen Songs im besonderen hervorzuheben. Die Qualitätskurve zeigt bei Fuck Your Shadow From Behind zu keiner Sekunde nach unten. Wie schade nur, dass es sie nicht mehr gibt und ich sie nicht mehr live erlebe. Doch im Sinne von Fuck Your Shadow From Behind ist es sicher nicht übertrieben, zwar das Ende der Form (Band/Musik) aber das Fortleben des Prinzips (Freiheit in jeglicher Hinsicht) zu postulieren.

Und so ist das Fazit zu „Freigeist“ zugleich ein Abgesang auf die Band, die noch Größeres hätte erreichen können, aber mit Sicherheit schon Großes geleistet hat, wie es kaum jemandem gelingt: Diesen Silberling sollte jeder Fan oben genannter Genres in seinem Regal stehen haben, denn er bietet von brachialen Nummern wie „Verse der Freiheit“ bis hin zu episch rasenden, blackmetallisch angehauchten Stücken wie „Zwielicht“ oder dem punkig anmutenden Rausschmeißer „Auf Reise“ alles, was das Herz begehrt. Die Produktion ist dabei erdig und nicht zu überladen geraten. Hoffen wir im Namen des metallenen Gottes, dass es noch mehr solcher Perlen zu entdecken gibt, die dann aber mit etwas mehr Langlebigkeit gesegnet sind.

In diesem Sinne sage ich einfach: Danke!!!

Fuck Your Shadow From Behind · Freigeist · 2010

Redaktion

verfasst von ewonwrath
vom 14.10.2010

9 / 10

Playlist

01 - Das Erlöschen der Qual (Pt. I)
02 - Der Wahrheit zweites Gesicht
03 - Wandel und Replik
04 - Es war die Zeit
05 - Verse der Freiheit
06 - Zwielicht
07 - Die Abkehr
08 - Tristesse
09 - Ein Tagwerk
10 - Auf Reise