Man könnte meinen, was die Jungs von Between The Buried And Me (BTBAM) da planten, wäre unmöglich durchführbar: ein Album wie "Colors", das so gut wie ohne Atem-/Hörpausen daherkommt, live runterspielen. Das Studioalbum selber in Worte zu kleiden, ist schon ein Unding. Aber dann zuzusehen, wie die Fünf das live performen, gleicht der Wahrnehmung eines leibhaftigen Wunders. Sie zeigen, dass sie keine reinen "Studiosongs" haben - alles ist live spielbar! Und das mit einer Präzision und vor allem Kondition sondergleichen. Die Bilder und der satte Sound laden entweder zum staunenden und stillen Genießen oder totalen Abgehen ein. Qualitativ bleiben da keine Wünsche offen. Einziges Manko sind die Kameraführung und der Schnitt. Ein richtiges "Drehbuch" scheint es da nicht gegeben zu haben, so dass oft die Willkür herhalten muss. Bei so einem eigentlich perfekt durcharrangierten Album fällt das leicht negativ auf. Bei "Viridian" möchte ich beispielsweise bitteschön das ganze Bass-Solo von Dan Briggs auch sehen und nicht erst mittendrin optisch reingeschubst werden. Wer die unvergleichliche "The Link Alive" DVD von Gojira kennt, weiß, dass man so etwas anders gestalten kann. Dafür können die Jungs selber aber sicher am wenigsten. Die reißen sich über eine Stunde lang den Allerwertesten auf, wobei das geniale Live-Feeling lediglich durch den übertrieben großen Zwischenraum zwischen Bühne und Publikum geschmälert wird.

Als ersten von vielen Boni gibt es ein zweites Live-Set mit Titeln, die die Fans von BTBAM per Abstimmung wählen durften. Das sind in unten aufgeführter Reihenfolge:

Mordecai (The Silent Circus -- 2003)
Shevanel Cut A Flip (Between The Buried And Me -- 2000)
Backwards Marathon (Alaska -- 2005)
Ad A Dglgmut (The Silent Circus - 2003)
Aspirations (Between The Buried And Me -- 2000)
Selkies: The Endless Obsession (Alaska -- 2005)

Eine Auswahl, die diskographisch ausgewogen ist und bei keinem BTBAM-Fan etwas zu wünschen übrig lassen dürfte. Ich finde es natürlich schade, dass diese zusätzlichen Songs nicht auch auf der Audio-CD anzutreffen sind, verstehe es aber. Zum einen sprechen simple Platzgründe dagegen -- es hätten nie alle Songs mit drauf gepasst. Und dann noch einmal eine Auswahl zu treffen, wäre zu hart. Zum anderen wird das ganze auch als "Colors Live" verkauft, nicht als "Between The Buried And Me Live". Und in diesem Zusammenhang muss man der Fairness halber auch mal anmerken, dass zum Beispiel Opeth ihre "Roundhouse Tapes" erst 2007 als Audio-DCD veröffentlicht haben, um dann 2008 die DVD mit fast identischem, eben nur um's Bild erweitertem, Material nachzuschieben.

Zu guter Letzt befindet sich auf der DVD eine eher witzig gemeinte Doku zum "Colors Live" Auftritt plus einer Fotogalerie dazu. Außerdem ist ein kurzes Filmchen mit Passagen von den Aufnahmen zum Studioalbum dabei. Etwas eher außergewöhnliches dürfte der Trailer zum Album sein: hier kann man das "Colors" Album künstlerisch untermalt mit Filmen hören. Eine nette Idee, die von wirklich gelungenen Bildinterpretationen zu jedem Song ergänzt wird. Mir persönlich besonders gefallen Tommy Rogers (Gesang und Keyboard) Interpretationen zu den einzelnen Songs. Für jemanden wie mich, der sich gern mit den Texten von Bands beschäftigt, aber ob tausender Metaphern, Allegorien und anderer rhetorischer Figuren oft überfordert und verwirrt ist, eine durchaus hübsche Sache. Und um definitiv zu untermauern, dass es sich bei "Colors" um ein GesamtKUNSTwerk handelt, gibt es noch eine interpretative Kurzgeschichte zur Musik -- vom Gewinner eines extra dafür ausgeschriebenen Wettbewerbs.

Also abgesehen von der eher unspektakulären Verpackung als normales Jewelcase strotzt "Colors Live" nur so von zu verarbeiten wollenden Eindrücken auf allen Sinnesebenen. Ein Konzept, das Schule machen darf und mit Sicherheit dazu beitragen wird, dass man sich an BTBAM erinnern wird, um mit einem Zitat aus "White Walls" vom Album "Colors" zu schließen:

"This is all we have when we die
It's what's left of us when we die
We will be remembered for this"