Umrahmt von den atmosphärisch-träumerischen Instrumentalen "Bullhead's Psalm" und "Bullhead's Lament", die dasselbe musikalische Thema aufweisen, nimmt uns die "Blue Record" mit auf eine Reise. Eine Reise, die - anders als der Titel glauben machen mag - nicht ins Blaue geht. Die metallischen Klänge sind eingebettet in ein warm produziertes Klanggewand, das im ersten Moment fast etwas dumpf klingt. Nach mehrmaligem Hören gehört es einfach zum Charme der Platte. Die Rohheit des Vorgängers "Red Album" scheint dadurch etwas gemildert, die stark eingängigen Melodien, die nun komplett dominieren, tragen ebenfalls zu diesem Eindruck bei. Das heißt hingegen nicht, dass Baroness alles auf den Kopf gestellt hätten. Keineswegs.

Gleich die ersten Akkorde von "The Sweetest Curse" erinnern an die Mastodon-vertrauten Aspekte in der Musik des Quartetts aus Georgia, die dabei aber nie über die Härte schlagen. Eingängige, zweistimmige Gitarren sowie der tyische zweistimmige Gesang der beiden Gitarristen John Dyer Baizley und Pete Adams gestalten den Song sehr einprägsam. "Jake Leg" erinnert eindeutig an die rockigeren Klänge vom "Red Album" und bietet eine gute Laut-leise-Dynamik. Die Texte, obwohl auch hier eher kryptisch, können jederzeit mitreißen, auch wenn sie mehr von ihrer stimmlichen Rohheit als gesanglicher Filigranität leben.

Mit "Steel That Sleeps The Eye" bieten Baroness eine zweieinhalbminütige Ballade, die für Gänsehautatmosphäre sorgt und in "Swollen And Halo" überleitet, übrigens der längste Song des Albums. Und auch der beste. In keinem anderen Stück verbinden sich Metal und Rock, Melodie und Rhythmus, Melancholie und Wut so gut wie hier. Zugegeben, die musikalische Würze ist nicht neu erfunden, aber rundherum überzeugend dargeboten. Baroness leben definitiv von ihrer eigenen Atmosphäre, die sie meisterhaft zu kreieren im Stande sind. Augen zu und genießen, heißt das...

"O'er Hell And Hide" erinnert mich stellenweise an "Knights Of Cydonia" von Muse mit seinen gallopierenden Rhythmen und wabernden Gitarrenklängen. Ein kultiges Stück. Anleihen an The Smashing Pumpkins hingegen finden sich im Anfang von "The Gnashing", das dann doch in die Baroness-typische, leicht chaotische Rockraserei verfällt.

Als Höreindruck bleibt nach den letzten verklungenen Akkorden von "Blue Record", dass die Jungs aus den Staaten etwas Rundes, in sich Geschlossenes, nahezu Perfektes geschaffen haben. Dieser Eindruck wird ein weiteres Mal durch das geniale Artwork der CD und des Booklets gestützt, für das sich wieder John Dyer Baizley verantwortlich zeichnet.

Wer die Limited Edition ergattern kann, bekommt überdies eine zweite CD mit 35 Minuten Livematerial (Live at Roadburn 2009) dazu: "The Birthing", "Isak", "Rays On Pinion", "Wanderlust" sowie "Grad" - alle vom "Red Album". Die Aufnahmequalität weiß durch den gut rübergebrachten Livetouch zu überzeugen: wuchtig, roh, aber jederzeit differenziert genug. Und die zumeist mit ausgeklügelten Soundspielereien angereicherten Songs wissen live genauso mitzureißen wie auf der Originalplatte. Baroness-Fans sollten also gleich zur angereicherten Version der "Blue Record" greifen!

Baroness · Blue Record · 2009

Redaktion

verfasst von ewonwrath
vom 19.10.2009

9 / 10

Playlist

01 - Bullhead´s Psalm
02 - The Sweetest Curse
03 - Jake Leg
04 - Steel That Sleeps The Eye
05 - Swollen And Halo
06 - Ogecehee Hymnal
07 - A Horse Called Golgotha
08 - O´er Hell And Hide
09 - War, Wisdom And Rhyme
10 - Blackpowder Orchard
11 - The Gnashing
12 - Bullhead´s Lament