„[You’re] not even trying“ ist der Vorwurf, den man In Flames nicht erst seit kurzem machen kann. Dass die Herren aus Göteburg sich schon lange von ihren Melodic-Death-Metal-Wurzeln entfernt haben und sich auf ihrem Erfolg ausruhen, ist wohl keinem Fan der feurigen Band entgangen. Man kann sich jetzt darüber streiten, was das Album war, das dem „Göteborger Melodic Death Metal“ zuletzt treu blieb, aber die Tatsache, dass In Flames heute mit ihrem Album „A Sense of Purpose“ davon Lichtjahre entfernt sind, ist unanfechtbar.

„Should I join the feast“ – „I’m not, who I’m supposed to be“ – nur zwei Zeilen aus dem ersten Song des Albums, und schon eine existenzielle Frage an die Zuhörer: Soll man sich diesem Verfall von In Flames wirklich hingeben? Denn ganz offensichtlich sind sie nicht mehr die Band, die sie einstmals waren. Spätestens nachdem man sich das ganze Album angehört hat, stellt sich dem Zuhörer eine bestimmte Frage und die haben die Skandinavier so passend mit dem Vers: “Is that all you have to give?” aus dem Track „Disconnected“ formuliert, dass sie sich damit selbst an den Pranger stellen.

Als ob die Selbstoffenbarung mit diesem Album Absicht war, geht es weiter: “Forget the promise land, there was never an invitation” – heißt es in „I’m the Highway“. Man könnte das schon als einen Seitenhieb an alle In-Flames-Fans, die gehofft haben, dass sich die Schweden wieder auf ihre Wurzeln besinnen würden, verstehen. Dennoch ist an dieser Stelle anzumerken, dass sich die Metaller durchaus wieder auf den „Pfad zur dunklen Seite“ begeben haben, denn ihr neuestes Album klingt bei weitem nicht mehr so Emo-Mainstream wie das Vorgängeralbum „Come Clarity“. Optimistische Kritiker können hier vielleicht einen positiven Trend entnehmen, ich verweile weiterhin skeptisch – dennoch sehe ich Hoffnung für In Flames.

“Invert this tragedy to come and reclaim your future” könnte zum Beispiel das Motto für die Schweden sein, die ganz früher mal Akzente gesetzt haben. Meiner Meinung nach, haben die Göteborger Metalheads mit „A Sense for Purpose“ einen wichtigen Schritt ZURÜCK in die richtige Richtung gemacht. Dennoch sind viele Anleihen des vorherigen Albums geblieben, vor allem die Redundanz macht sich bemerkbar – irgendwie hat man das alles schon einmal gehört, nur eben in einer anderen Verpackung. Natürlich, „Come Clarity“ ist genrespezifisch kein schlechtes Album, aber eben auch keins, das man von In Flames stilmäßig erwarten würde. Zumindest früher mal. Das erste Video von In Flames, was mir damals auf MTV aufgefallen ist, war „Cloud Connected“, da waren sie wirklich noch gut, auch wenn das Album lange nicht so gut war wie zum Beispiel die „Colony“. Das, was man heute auf den Musiksendern von In Flames zu sehen bekommt, ist einfach nur noch Mainstream-Emo-Gejaule mit psychedelischen Riffs.

Ohne mich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, kann ich das neue Album – genau wie die „Come Clarity“ – nur dem Genre Emocore zuordnen, auch wenn hier die Grenzen zum Metalcore verwischen mögen. Vor allem eingefleischte Fans, sollten sich nicht an dieser Einteilung stören, denn ihre ehemalige Lieblingsband ist sowieso seit langem fucked up beyond all recognition (FUBAR) – da macht es keinen Unterschied, welchem Genre man sie mittlerweile unterschiebt. Eingestandene In Flames Fans können nur hoffen, dass ihre Lieblingsband den angesetzten Kurs weiterverfolgen wird. Wie gesagt: die letzten Alben waren nicht schlecht in ihrem Genre. Aber die letzten Alben waren auch nicht „In Flames“ und ganz sicher kein Melodic Death Metal. Natürlich, Bands entwickeln sich nun einmal weiter. Aber das muss ja deswegen nicht gleich zum Schlechteren hin geschehen.

In Flames · A Sense of Purpose · 2008

Redaktion

verfasst von BloodyFox
vom 23.01.2009

6 / 10

Playlist

01 - The Mirror's Truth
02 - Disconnected
03 - Sleepless Again
04 - Alias
05 - I'm the Highway
06 - Delight and Angers
07 - Move Through Me
08 - The Chosen Pessimist
09 - Sober and Irrelevant
10 - Condemned
11 - Drenched in Fear
12 - March to the Shore