Es ward wieder einmal ein Freitag gekommen und wem an diesem 16. Tage des vierten Monats im Jahre 2010 der Sinn nach etwas todesmetallischer Zerstreuung stand, der begab sich, sofern in Leipzig und Umgebung ansässig, in die Theaterfabrik, um den wohligen Klängen von Revocation, Origin, Beneath The Massacre und Dying Fetus als Headliner zu lauschen. Hierfür verantwortlich zeigte sich die derzeit laufende „Thrash And Burn“ Tour, welche durch die Landen fegt und auch im Osten Halt machen sollte. Wieder einmal betätigten sich die Jungens von „Scheddel“ als Veranstalter des anstehenden Abends. Im Vorfeld wurde ja schon per Nachricht bekannt gegeben, dass Man Must Die krankheitsbedingt ausfallen würden, leider wurde auch kein Ersatz gesucht, aber auch mit vier, statt fünf Bands sollte man doch einen ordentlichen Abend zustande bekommen.

Wer etwas zu zeitig angekommen war, der musste entweder vor der Tür qualmend über vergangene Festivals, gute Line-Ups der Kommenden und den Kaltbier-Vorteil von großbrüstigen Frauen diskutieren, oder noch eine Weile im Vorbühnenraum bei der Bar zubringen. Ich gab mir natürlich beide Seiten und bekam die Zeit bis zur Öffnung der Pforten recht schnell herum.

Gegen Acht war es dann soweit, die Leute durften vor die Bühne treten oder sich am Merchandise-Stand ihres Geldes entledigen, um Kappen, Shirts, Buttons, Poster signierte Brötchen oder einfach Nichts zu kaufen. Vielen stand der Gedanke ins Gesicht geschrieben, dass er jetzt noch eine ganze Stunde vertreiben müsse, bevor die erste Band ihre Instrumente schnappt, doch es nahte Rettung, denn Revocation zogen ihren Beitrag eine halbe Stunde vor und so ging es 20.30 Uhr mit dem Abend der härteren Gangart endlich los.

Revocation
Revocation


Revocation spielen eine recht interessante Mischung aus Death Metal und groovigen Rock Einlagen, waren jedoch durch relativ ungenügenden Sound und ein desinteressiertes Publikum gestraft. Auch nach mehreren Aufforderungen, waren letztlich nur die Fotografen vorn, was den Sänger und Leadgitarristen sichtlich ärgerte. Die Fotografen ärgerten sich indes über das durchweg schlechte Licht und die grauenvoll ausgeleuchteten Musiker, welche mit ihrem Klang übrigens auch nicht glücklicher wurden. Ein gegenseitiges Ärgernis also, was schade ist, denn so wurde ein kreativer und wahrlich potentieller Opener verheizt, der so schnell wohl nicht mehr nach Leipzig kommen wird.

Hiernach folgte ein etwas langwieriger Umbau, aber dies ist ja kein unbekannter Fakt bei Konzerten jeglicher Art. Außerdem fing man ja eher an, so konnte man sich auch deutlich mehr Zeit bei den Bühnenarbeiten lassen.

Da diese Tour ja zu Ehren der Herren Dying Fetus abgehalten wurde, wechselten sich die beiden mitfahrenden Death Metal-Größen jeden Abend in der Reihenfolge ab und somit waren Origin diesmal an der Reihe, sich nach dem Opener zu etablieren. Doch für Origin war es ein einfacheres Spiel, denn schon vor dem Betreten der Bühne, stand die Halle voll und keiner musste aufgefordert werden, sich näher am Bühnenrand aufzuhalten. Näher kam man nicht mehr ran. Durch die reine Anwesenheit vieler Menschen, waren die Todes-Techniker auch sogleich motiviert und feuerten ordentlich los. Zu meinem Bedauern musste ich feststellen, dass weder Klang noch Licht in irgendeiner Weise optimiert wurden und so spielten auch Origin schön im Halb-Düsteren ihre todesmetallischen Köstlichkeiten. So dufte man sich an „Antithesis“, „Void“ und „Debased Humanity“ erfreuen, bis plötzlich...

Origin
Origin


...nur noch der Drummer zu hören war, denn es hatte die PA zerlegt. Mit derartig brutalem Death Metal hatte wohl keiner gerechnet und es wurde nur eine leichte Sicherung für Münztelefone eingebaut, doch Origin bekamen sie klein. Nun folgte eine circa fünfzehn-minütige Problemdiagnose, in welcher Schlagzeuger John Longstreth sich damit beschäftige, neue Rhythmen zu üben und ein wenig mit seinen Cymbals zu spielen. Der neue Sänger vergnügte sich derweil mit einem Bier auf den Stufen und alle anderen rannten wild gestikulierend und aufgeschreckt hin und her, bis schließlich einer es vermochte, die AMP‘s und Boxen wieder in Gang zu setzen.

Die Fans nahmen es sportlich und hatten auch ihren Spaß dabei. Auf die Aufforderung, Akustik-Death Metal zu spielen ging man leider nicht ein, doch die restliche elektrische Variante konnte auch überzeugen. Obwohl Mica Meneke, der seit diesem Jahr neubeschäftigte Sänger um einiges schmaler und schlaksiger ist als sein Vorgänger, weist er ähnlich beeindruckende Gesangsleistungen auf, welche nur durch den immer noch dezent schlecht abgemischten Sound in der Klanggewalt seiner Bandkollegen unterging. Nun ja, Origin waren nach einer guten 45 Minuten auch am Ende und bekamen ihre Leistungen mit stetigen Circle Pits und kreisenden Köpfen gedankt. Schade, dass hier ein derartiger Patzer von Seiten des Mischpultes und der Technik-Verantwortlichen zu beklagen war, doch Origin bleiben Origin und sind immer ein Erlebnis; wenngleich es im vergangenen Jahr mit Illdisposed besser lief!

Die erste Hälfte wäre also geschafft und so einigen floss der Schweiß in Strömen, denn leider war man gezwungen seine mitgebrachten Sachen bei sich zu behalten; eine Garderobe war an diesem Abend nicht vorgesehen. Nun standen Beneath The Massacre auf dem Plan, welche auch recht flugs auf den Brettern standen und ihrer Brutalität musikalischen Ausdruck verliehen.

Beneath The Massacre
Beneath The Massacre


Hier konnte man zum ersten Mal recht zufrieden mit dem sein, was hinter dem Mischpult geleistet wurde. Beneath The Massacre hatten einen ausgewogenen Sound und der Drummer eine Floortom, die einem mit Wucht durch die Unterbuchse blies. Doch da nun der Sound annehmbar war, musste ja etwas anderes leiden und so wurde das Licht noch etwas gedimmt und eine undurchschaubare, punktuelle Bestrahlung eingesetzt, die weder Regeln, noch Vernunft folgte. Die Großzahl der im Saal anwesenden interessierte dies jedoch herzlich wenig, denn Beneath The Massacre zerlegten die Bude. Hier folgte Moshpart auf Moshpart und dem gezollt, Circle Pit auf Circle Pit. Die Halle kochte unter dem Klang fiesester Death Metal Riffs mit einer seichten Nuance Metalcore – Brutal! Ein Song war gar dem Papst gewidmet, da dieser: “...die Welt für Pädophile deutlich einfacher mache!“ Das war mal ein richtig guter Auftritt, der seine Spuren an manchen hinterlassen hat und für mich das Interesse an besagter Gruppierung weckte. Sauber gespielt, seriös dargeboten; ein Quartett zum verlieben.

Doch der Abend schritt voran und die Leute wurden langsam heiß auf ihren Headliner, der in den üblichen Fragerunden, in welchen man als Antwort für seinen favorisierten Bandnamen laut Schreien muss, immer volle Punktzahl bekam und Revocation im Vergleich kaum Beachtung fanden. Nochmals schade, schade, schade.

Der Umbau von Beneath The Massacre zu Dying Fetus nahm eine geschlagene halbe Stunde in Anspruch, was für meine Nerven deutlich zu lang war und die Beobachtung des überdurchschnittlich unorganisierten Soundchecks tat sein übriges. Eine gute Portion wilden Gestikulierens, ahnungsloser Mimik und ziellosen Trommelgehaues später, konnten Dying Fetus endlich die Bühne betreten und wurden mit tosendem Applaus empfangen. Das Trio-Infernale sollte den Abgesang auf einen bisher eher durchwachsenen Abend bilden.

Und was sie boten war von höchster Qualität und Durchschlagskraft, wenngleich zu Beginn die zweite Stimme kaum zu vernehmen war, was sich aber im Laufe der ersten beiden Songs klärte. Die drei vegetierenden Föten brüllten, spielten und trommelten sich die Seele, welche sie vermutlich schon längst dem Gehörnten anvertraut haben, aus dem Leib und zeigten allen was es heißt, zu dritt schnellen, ultra-brutalen Death Metal zu fabrizieren. Dying Fetus sind eine ordentliche Hausnummer und wissen was sie zu bieten haben. Das Spektrum reichte diesmal auch durch alle Lebenslagen und so konnte man frühe, wie auch aktuelle Klangbeispiele vernehmen, welche in konstanter Qualität und Fertigkeit zum Besten gegeben wurden. Doch dann...

Dying Fetus
Dying Fetus


Ja, in der Tat. Es ward wieder still im Saale. Der wohl Verwundertste war jedoch der Schlagzeuger, welcher noch zwanzig Sekunden allein den laufenden Song spielte, bis er bemerkte, dass seine Kollegen ohne Strom hilflos sind. Also dann, es ging auf ein Neues auf Spurensuche, doch müsse man ja annehmen, dass dieses Problem nun schneller gelöst werden kann. Sei es drum, der Schlagzeuger verkürzte die Zeit durch ein grooviges Rock Solo, welches höchsten Anklang fand und die zwei restlichen Föten warteten geduldig auf einen neuerlichen Anfang.

Nach erstaunlich fixen zehn Minuten konnten Dying Fetus nun dort weitermachen, wo sie zwangsweise pausiert hatten und auch der zweite Teil ihrer Show hatte sich durchaus gewaschen. Hier bekam man Song wie „Skull Fucked“, „Pissing In The Mainstream“, „Shepperd‘s Commandment“, „Your Blood Is My Wine“ und „Killing On Adrenaline“ zu hören. Eine gute Mischung aus allen Perioden der Band, welche für jeden etwas bot, dem frühsten, wie dem ältesten Dying Fetus-Freund. Nur der Aufruf einiger Zuhörer, die Mutter zu töten und als Abschluss den Hausköter zu vergewaltigen („Kill Your Mother, Rape Your Dog“) wurde nicht erhört, doch der Saal nahm es ihnen nicht übel. Ganz im Gegenteil, die Meute wurde ein einziger, rasender Strudel aus schwitzendem Fleisch, das sich bis zur Ekstase im Kreise drehte. Auch der Klassiker „Gotesque Impalement“ wurde letzten Endes noch geboten, was einmal mehr Stimmung unter die Leute brachte. Die erste Reihe ergötzte sich derweil an den Schlagzeug-Salven und den beeindruckenden Bass-Leistungen, sowie dem stimmgewaltigen Lead-Gitarristen, welche gemeinsam einfach alles in die Knie zwangen, was so dreist war sich ihnen in den Weg zu stellen. Eine derartige Balance zwischen Groove und reinster Todestechnik zu finden bedarf schon einiges an Geschick, das diese Herren zweifelsohne an den Tag legen. Auch wenn der Sound besser war als zuvor, hätte er gerade bei Dying Fetus noch etwas druckvoller sein können, das haben die Ton-Verantwortlichen wieder einmal verpasst.

Nach mehr als einer Stunde und zwei Zugaben war der Abend nun vorbei, alle vier Bands hatten ihr Soll erfüllt und sind gemeinsam mit ihren Leipzigern durch Höhen, Tiefen und Stromausfälle gegangen. Das Licht hatte sich übrigens den ganzen Abend lang nicht merklich verbessert, was die etwas bescheidene Bild-Qualität zur Folge hat, dieses bitte ich hiermit zu entschuldigen.

Der Abend fand gegen halb, dreiviertel Eins endgültig sein Finale, Dying Fetus waren die unumstrittenen Könige der Nacht, aber Alles in Allem war es doch ein sehr durchwachsener Abend mit vielen kleinen Problemen, die man als gestandener Veranstalter eigentlich nicht geschehen lassen sollte. Die beiden Stromausfälle waren schon ein kleines Armutszeugnis, denn eine leistungsstarke PA sollte eigentlich Grundvoraussetzung für einen Abend dieser Güte sein. Man kann nur hoffen, dass dies ein kurzer, momentaner Qualitätsabfall war, der sich nicht auf kommende Veranstaltungen der „Scheddel“-Leute überträgt, denn was braucht man mehr bei einem Live-Auftritt als Licht und guten Sound?

Man darf gespannt sein, was es das nächste Mal gibt, wir hoffe insgeheim auf eine Besserung! In diesem Sinne, gut Heim gekommen ist halb gewonnen!