Zum zweiten Mal präsentiert die Bandcommunity mit ihrem Winterfestevil ein kleines aber feines Hallenfestival, bei dem sich die unterschiedlichsten Genres die Klinke in die Hand geben. Tag 1 sollte vor allem Death und Grind-Fans ansprechen, während sich am zweiten Tag ein paar echte Stoner/Doom-Perlen die Ehre gaben.


FREITAG



Extinctionist


Extinctionist
Extinctionist

Los ging es mit Extinctionist aus Dresden/Chemnitz in “Goremany”. Beim heimischen Hörtest wurde heftig spekuliert, ob der Drummer dieses beeindruckende Geballer so auch live präsentieren könnte. Tja, was soll man sagen, alle Zweifel wurden im wahrsten Sinne weggeblasen, denn einen Drummer gab es schlicht nicht. Hatte sich die Band um Gitarrist Mitch in den letzten zwei Jahren neu formiert, fehlt derzeit noch das Herzstück einer jeden Band. Aber zum Glück sind Drummer ja mittlerweile problemlos ersetzbar und es hat auch Vorteile, das Schlagzeug direkt über den Computer abzuspielen: Keine Verzocker und fetter Sound. Ansonsten hielt das technische Geballer der Sachsen wenig Überraschungen bereit. Brutal Death mit ausladenden Stampfparts und jede Menge Bree Bree. Zum Aufwärmen ganz nett, aber auch nicht mehr.



Pighead


Pighead
Pighead

Pighead schlugen in die gleiche Kerbe, zeigten im direkten Vergleich aber etwas mehr Spielfreude und Abwechslung als ihre Vorgänger. Am heutigen Tag hatten die Berliner definitiv die größte Fanbase hinter sich, was wohl auch an dem bleibenden Eindruck lag, den sie im Dezember auf dem “Stuhlfest” hinterlassen hatten. Allerdings zeigte sich auch hier ein Problem, das sich durch den gesamten Abend ziehen sollte: Viel Bass, wenig Gitarre. Dass das extrem getriggerte Schlagzeug einfach zur gespielten Musikrichtung gehört - geschenkt - allerdings waren bei allen Bands die Gitarren kaum zu hören, während der Bass einem wohlig die Eier massierte: eine Abstimmung, die eher zum zweiten Tag gepasst hätte. Dennoch machten Pighead einfach Spaß, nahmen sich nicht zu ernst und überraschten mit der ein oder anderen rifftastischen Köstlichkeit.



Cold Aeon


Cold Aeon
Cold Aeon

Cold Aeon sollten mit ihrem räudigen Black/Thrash an diesem Abend den musikalischen Wendepunkt einläuten. Erwartungsgemäß war es hier nicht mehr ganz so voll vor der Bühne. Black Metal war heute einfach nicht der thematische Schwerpunkt. Dennoch zeigten die Anwesenden den nötigen Respekt und neben elitären Black Metal Posen (verschränkte Arme) auch die ein oder andere Bewegung. Das Material der Leipziger, die seit 2010 unterwegs sind, schwankt relativ abwechslungsreich zwischen epischen Melodieteilen und rasendem Geschubber. Der Schlagzeugsound war nun deutlich organischer, aber immer noch sehr basslastig, was die Gitarre leider sehr oft in den Hintergrund rücken ließ. Auch waren einige Unsauberkeiten deutlich zu hören, aber wir wollen das mal als den “thrashigen” Anteil betrachten.



Izegrim


Izegrim
Izegrim

Headliner des Abends waren schließlich Izegrim und die sympathischen Holländer hatten jetzt leichtes Spiel mit dem angetrunkenen Publikum. Sängerin Marloes ließ sich von lallenden “Ausziehen”-Rufen nicht provozieren und sorgte im Gegenzug dafür, dass sich die erste Reihe selber entkleidete. Auch zog sie bereitwillig irgendwelche dargereichten Gummihandschuhe an, trank aus fremden Bechern (was man als Frau in Diskotheken tunlichst vermeiden sollte...) und ließ sich auf jeden dummen Spruch ein. Das sympathische Verhalten und die große Spielfreude täuschten aber nicht darüber hinweg, dass die Gitarren kaum zu hören waren. Soli waren praktisch nur visuell zu erahnen. Auch rumpelte das Schlagzeug teilweise doch arg holprig durch die Songs. Nicht, dass das jemanden der Anwesenden interessiert hätte. Denn mittlerweile, und das hätte man zum Anfang ihrer Karriere wohl kaum vermuten können, sind Izegrim wohl die besseren Arch Enemy geworden. Jetzt müssen das bloß noch alle anderen erfahren und sich nach solch heftigen Abenden auch noch daran erinnern können. [Fur]


SAMSTAG


Natürlich kann man sich streiten, ob die Aufteilung so clever war. Vielleicht hätte man etwas besser mischen und so eine ausgeglichenere Besucherstärke erreichen können, denn heute war es deutlich voller als am aggressiveren Vortag. Stoner, Crust und Doom ziehen eben die ganzen hippen Spinner an, die zeitweise noch elitärer unterwegs sind, als der satanischste Second-Wave-Black Metaller. Nichtsdestotrotz muss man rückwirkend sagen, dass die Entscheidung gut durchdacht war, denn das Samstags-Set war an Stimmung kaum zu übertreffen.



Dead Man Trigger

Die ersten süßlich-dicken Rauchschwaden hingen schon kurz vor Beginn in der Luft. "Was hast du erwartet, heut' läuft Stoner" hört man es aus einer Gruppe kichern und gleich war klar, dass heute wohl neben der ganz harten Hipsterlimonade hauptsächlich Eigenversorger zugegen waren.

Dead Man Trigger
Dead Man Trigger

Noch ruhig und unproblematisch ging es mit Dead Man Trigger in die erste Runde. Die Leipziger waren kurzfristig für Mount Fuji eingesprungen, was schon recht bedauerlich war. Nicht, dass die Jungs keine annehmbare Musik spielen, aber gegen die asiatischen Bergsteiger hatten sie keine Chance. Das war auch gar nicht ihr Anliegen und mit dem ersten Song war klar, dass Stoner hier nur ein Nebengeschäft war. Mit guter Spielpraxis und feurigem Elan probierte der Opener mit Riffs aus den 80ern und 90ern aufzutrumpfen, die man irgendwo schon mal gehört hatte. Irgendwo? Ganz klar, Metallica. Und das nicht zu knapp, denn die Lyrics von "Enter Sandman" und "The Four Horseman" konnte man einfach drübersingen. Selbst die Breaks haben hier gepasst. Damit es nicht so auffällt, schien man sich noch irgendwie an Rage Against The Machine und ganz frühen Incubus zu versuchen. Einen wirklich eigenen Weg hat man bisher noch nicht gefunden. Trotzdem konnte das Publikum mitgenommen werden. Warum auch nicht? 10€ für Metallica an einem Samstagabend mit 150 Leuten irgendwo in der Leipziger Industriesteppe? Da kann man sich auch einfach mal freuen. Außerdem gab es Soli in einer Qualität zu hören, die Kirk Hammett selbst mit 20 Meter Klebeband nicht mehr hinkriegt.

- Klink! Klank! - "Ich nehm' auch ne' Kola" - "n' Club Mate, bitte" - "2,60... wegen 50c Pfand" - gestern hätte es noch blöde Sprüche gegeben. Heute lief die Intellektuellen-Brause aber gleichwohl besser und bei vielen ist es sicher auch von Vorteil gewesen, dass sie nicht auch noch Bier getrunken haben. Genug haben es natürlich trotzdem gemacht. "Black Mood? Das sind zwei Dicke mit 'ner Südstaaten-Flagge" wurde noch gefachsimpelt und so kam es dann auch. Die Umbauarbeiten gingen recht schnell von der Hand. Kein Wunder, denn zu zweit braucht man ja auch kaum was. Außer vielleicht zwei Verstärker, über die man alleine wie eine Furie zocken kann.



Black Mood


Die zwei Brüder aus Thüringen haben die Herausforderung angenommen und ein metallisches Duett ins Leben gerufen. Sowas geht auch nur im Stoner Crust. Hauptsache es kracht und rumpelt ordentlich. Und das tat es. Die Gitarre kam mit mindestens vier Verzerrungen aus zwei riesigen Amps. Es war eigentlich egal, was auf der Gitarre gegriffen wurde. Auch ein Affe auf Steroiden hätte mit den Einstellungen einen guten Stoner-Song gemeistert. Der Löwenanteil lag sowieso beim dreadlock-behangenen Drummer. Der zimmerte, was das Zeug hält und die Befürchtung, dass man die nächste Cover-Truppe vorgesetzt bekam - diesmal jedoch Pantera - bestätigte sich nicht. Wenngleich die ganze Bühne und beide Musiker mit Pantera-Erinnerungstücken vollgehangen waren.

Black Mood
Black Mood

Gut so, denn das Duo Infernale hatte selbst genug großartige Songs, die gnadenlos aus den Boxen scheuerten. Etwas unerwartet war dann nur ihr persönlicher Coach. Ein enthusiastischer Vollbartträger, der Black Mood nach jedem Song heftig anfeuerte. "Jaaaa, genau so! Richtig, Männer! So geht das! Das ist es!" - Echte Begeisterung, die man sonst nur von Jürgen Klopp kennt. Vielleicht der Beginn einer neuen Mode und eines neuen Bandpostens für Leute, die musikalisch eher unbegabt sind, aber gut anfeuern können. Auch Black Mood selbst schienen dezent irritiert zu sein, nahmen die Motivationsschübe aber als Anlass, gleichbleibend großartig zu sein. Reduzierter kann man Metal nicht mehr auf die Bühne bringen.

So langsam schien ich der Einzige zu sein, der immer nur Kola und Melonenlimonade trank. Aber so will es der Staat und für den Heimweg ist dies sicher auch die bessere Entscheidung gewesen. Im Grunde auch egal, denn irgendwie drückte es einen auch so in einen paralytischen Gemütszustand. Um einen herum roch es immer intensiver wie in einem Bioladen in der Dresdner Neustadt und das Publikum verschwamm zu einer homogen Menge. Alle lagen auf einer Wellenlänge, hatte man das Gefühl. Jeder wollte doch nur möglichst viel Bass und möglichst langsame Riffs hören. Die Wartezeiten verging mit dummen Sprüchen und dem pseudo-intelligenten Versuch, Bandnamen in Phrasen zu packen. "Ahab da mal noch 'ne Frage, hahahaha" - "die Thyrfing an zu quietschen, hohohoho" - "schau mal, wie der Illdisposed!" Nebenbei roch es aus jeder Ecke nach einer anderen Tüte. Es war langsam egal, wie der Satz geformt war, hauptsache eine Band hatte ihren Platz darin gefunden. Gelacht wurde sowieso über alles. Auch wenn man nur ankündigte, dass man urinieren muss.



Conan


Genau dieser mentale Zustand ist es jedoch, der für die brummeligen Briten Conan optimal ist. Die Jungs aus Liverpool spielen psychedelischen Stoner Doom. Keine großen Entertainer, aber vermutlich so breit, wie langsam. Die Gitarre hatte eine Tiefe angenommen, dass man sich beim Soundcheck fragte, ob man den Bass überhaupt überleben könne. Und tatsächlich fiel es erst einmal schwer zu atmen, als dem Urknall gleich mit einem gnadenlos düsteren "BRRRrrrrrruuuuuummmmmm" der Bass losknarzte. Man war in Trance. Songs hörten nicht mehr auf, die Leute auf der Bühne nahm man kaum noch wahr. Eine einzige Wand aus Tönen.

Conan
Conan

Ein Bass, der wie abgedämpfte Schläge auf einen betäubten Körper wirkte. Als würde man gewürgt werden, ohne Panik zu bekommen. Im Gegenteil, man brauchte immer mehr. Ein Rausch nach dieser rohen Kraft etablierte sich. Pausen im Bassspiel wirkten wie ein eigenes Instrument, ein Stilmittel definitiv, auch wenn sich die Gitarre gleichsam tief und drückend aus der Anlage wuchtete. Der Drummer hingegen eher filigran, seine Arbeit konzentrierte sich auf differenzierte Beckenarbeit und prägnante Snareschläge. Die Bassdrum hörte man sowieso nicht, der Bass drückte alles weg, was auch nur irgendwie in seinen Frequenzbereich fiel. Ob man es gemerkt hätte, wenn er sie nicht gespielt hätte? Sprechen, unmöglich. Mit Blicken, anerkennendem und würdigendem Nicken versuchte man irgendwie auszudrücken, was in einem vorging. "Louder, more bass!" - Nur ein kaltes Lachen. Der Mann mit dem krächzenden Ungetüm wusste, dass hier keiner lebend rausginge, drehte man das Ding noch lauter.

Kein Wort auf dem Weg aus dem frenetisch brummenden Kellerloch. Erst draußen wieder der ekelhafte Zynismus abgehärteter Musikkritiker. "Weedeater kamen noch knalliger!" - "Naja, war eh zu leise, haha!" - Alles Ausreden, um den Wahnsinn zu vertuschen, den man gerade erlebt hatte. Vielleicht auch, um nicht zu aufgeregt zu wirken, denn Ahab standen noch an. Und was die bayrischen Krabbenfischer auftischen, ist nicht minder schwere Kost.



Ahab


Als man den Keller betrat, brummte schon irgendein Intro. Die kleine Spelunke war gerammelt voll. Vor der Bühne kaum Platz. Möwen schrien und dann das Meer. Woher denn die Wassergeräusche? Im falschen Zustand sicher bedrohliche Klänge. Ahab spielen Nautik Doom, das muss man keinem sagen. Sowas weiß man. Hatte man im Vorhinein gehofft, dass man sich mehr auf frühere Alben beschränkt, musste man gleich zu Beginn feststellen, dass auch die neuen Songs live fantastisch wirken. Nach der Eröffnung mit dem 2009er “The Divinity of Oceans” kam der erste neue Song. “Deliverance”: Der Klargesang wirkt emotional und sauber, der Klampfer scheint zu zaubern und Maladie-Drummer Cornelius Althammer wirkt unterfordert, aber glücklich. Noch einen Schritt zurück; 2006. “Below The Sun” - Drostes Stimme ist unglaublich. So tief und kraftvoll blubbert sonst nur der Bass. In perfekter Ausgewogenheit geht es weiter: “Antarctica the Polymorphess”, “Old Thunder”. “The Giant” wird gespielt. Der ganze Keller nickt mit. Einige kommen mit den Takten nicht klar und bangen auf Achtel. Wieso nicht, hauptsache es wird nicht gekotzt.

Ahab
Ahab

Der letzte Song für den Abend sollte es werden, aber alle Anwesenden monieren. Ahab lassen sich nicht lange bitten und einer geht noch. Die ersten Töne und ein seeliges Grinsen auf den Gesichtern. Einer merkt es erst Minuten später: “Jawoll!!” brüllt es aus der Mitte. “The Hunt” beschließt den Abend. Episch, kraftvoll, wie eine Serie von Kaventsmännern bricht der Song über einem zusammen. Man kann nur noch applaudieren. Das war großes Kino, ohne dass auch nur einer aus der Band sich feiern lassen würde, geschweige denn eine Show abzieht. Menschen, die man in der Straßenbahn nicht erkennen würde, ballern einem ein ungeheures Brett vor den Latz. Perfekt!

Auf der Heimfahrt liegt Mars Red Sky im Player. Die Mitfahrer protestieren; sie können nicht mehr. Ausreden sind zu hören, dass man Black Metal hören wolle. Haben wir auch da und so fährt man eben auf Black Metal durch die Stadt. Schöner Kontrast. Nacht - immer noch dröhnen die langsamen 4/4-Takte im Kopf. Man träumt von Riffs. Komische Träume, die keinen Sinn machen, einen aber wach halten. Der Wecker klingelt, irgendeine Scheißmusik, wie jeden Morgen. Die Ohren fühlen sich taub an, als hätte man draufgelegen. Die Erinnerungen toben noch im Kopf, aber die Worte fehlen. Einfach ein perfektes Set, das man an diesem Samstagabend geboten bekam. Was Freitag gespielt hat, weiß man gar nicht mehr. Das ist auch egal, denn im Nachhinein waren das nur Füllmengen. Wirklich in Erinnerung wird einem wohl nur der Samstag bleiben. Schon jetzt im Zug fällt es schwer, die Bands vom Freitag zu rekapitulieren. Kein Vergleich zu dem, was man vor einigen Stunden erlebt hat. [Win]