In Flammen Open Air 2016
DONNERSTAG
Die Rituale sitzen: Souverän das Fahrzeug geladen, im nächsten Supermarkt die Biervorräte aufgefüllt und auf der schnellsten Route gen Torgau. Das In Flammen 2016 kann kommen und hat sich auch perfekt vorbereitet. Gleich zu Beginn fällt auf, dass mehr Leute als noch im Vorjahr den Weg auf das waldige Gelände gefunden haben, was allerdings dank guter Anfahrtsorganisation keine Anreiseverzögerung mit sich bringt. So steht, wie man es von Profis erwarten kann, das Zelt in Windeseile und das bunte Treiben kann beginnen.
Endseeker
Den Startschuss geben an diesem Wochenende Endseeker, die auf Ihrer Suche nach dem Ende freundlicherweise noch kurz halt in Torgau gemacht haben. Der Old School Death Metal der Hamburger geht gut nach vorne und das Treiben auf der Bühne bleibt dank des anhaltenden Gesichtsfasching von Sänger Lenny äußerst unterhaltsam. Wer seinen Death Metal schwedisch mag und lieber alte statt neue Bloodbath hört, macht hier definitiv nichts verkehrt.
Wandar
Wandar hatten ihren Job im letzten Jahr anscheinend so gut gemacht, dass sie direkt wieder am Donnerstag aufspielen durften. Auch dieses Jahr gab es nichts zu meckern: Epischer Black Metal, ausgezeichneter Sound und das sympathische Ultravox-Cover von “Dancing with Tears in my Eyes”.
Mantar
Die Gelegenheiten, Mantar auf einer kleinen Bühne in Deutschland erleben zu können, werden nicht zahlreicher. Umso wichtiger war es also, nach dem völlig überfüllten Auftritt beim letzten Party.San, hier noch mal genauer nachzuschauen, ob das Duo zurecht ganz oben auf der Hypewelle reitet.
Tatsächlich rissen die beiden das Publikum vom ersten Moment mit, der Sound bildete eine massive Wand und der Moshpit kochte. Hier war der Beweis, dass Mantar auf einer kleinen Bühne mit direktem Kontakt zum Publikum zu einer wirklich explosiven Mischung werden. Der Stimmung konnte auch ein ausgefallener Bassamp nichts antun: Schnell Ersatz geholt und währenddessen das Publikum mit Schnaps versorgt. Mantar sind mittlerweile Profis und bleiben doch erfreulich nahbar. Definitiv das Highlight am Donnerstag.
Night Demon
Nicht falsch verstehen, Night Demon waren definitiv die richtige Wahl nach so einem schweren Brocken und sorgen mit ihrem amerikanischen Heavy Metal noch einmal für richtig Stimmung im Zelt. Kleinere Probleme mit der Lichtanlage ließen sich verschmerzen und trugen eher zur unverkrampften Stimmung dieses Auftritts bei. Die sonst vom Veranstalter gern für diesen Slot eingeladenen Skanners hätten sicher anerkennend genickt und vor Freude die High Pitched Screams ausgepackt.
Wie letztes Jahr bildete das imposante Spiel mit den Flammen von Weltenbrand den Abschluss des Warmuptages. Wer dann erst richtig warm fürs Festival geworden war, konnte sich an der Bar zur Froschkotze noch die Kante geben. Was wir dann auch taten... *scenemissing [Fur]
Weltenbrand
FREITAG
“What happens in Torgau, stays in Torgau” - Ein gutes Motto, gerade wenn man nicht mehr weiß, was jetzt eigentlich alles so dort bleiben sollte. Egal, neuer Tag, neues Glück heißt es doch und so stürzte man sich an diesem Freitag fröhlich, aber weniger frisch ins Getümmel. Aber nicht, bevor man noch den Leipziger Presserat in Form von Herrn Prüwer und Frau Reif zu sich ans Zelt bat, um den weiteren Ablauf zu besprechen. Wie man es von echten Profis erwarten kann, ging die Kreuzer-Fraktion erstmal Burger essen - Gut, muss halt die kleine Presse den Graupelputz abstauben. In diesem Sinne, ab zur Hauptbühne.
Morbid Panzer
Uniform an, Orden gerichtet und ab in den Morbid Panzer! Die Berliner Thrash Blacker hatten die große Ehre, das In Flammen am ersten Haupttag eröffnen zu dürfen, obgleich die Jungs gerade einmal auf eine Demo im Jahre 2015 zurückschauen können. Doch haben sich die Hauptstädter mit ihrem rauen, energetischen Geprügel gerade live schnell einen Namen gemacht und schienen eine gute Wahl für diesen verkaterten Morgen zu sein. Gediegene Riffs, keifende Vocals und ein drückend-eloquentes Drumming konnten überzeugen, wenngleich die flammende Liebe auch nicht ausgebrochen ist. Im Blick behalten sollte man den Fünfer dennoch.
Sacrificial Slaughter
”You can’t spell slaughter without laughter” - ein riesen Gag, den Sacrificial Slaughter-Frontmann Steve “Crusty” Worley leider schon kannte und ihm dementsprechend auch nur ein leichtes Höflichkeitslächeln abringen konnte. Ähnlich erging es mir vor der Bühne, denn die musikalischen Gags der Anaheimer habe ich im Gegenzug schon mehr als einmal von vielen anderen Bands hören dürfen und so richtig wollte der Funke an diesem sonnig-lächelndem Tag nicht überspringen. Schade, aber auch kein Beinbruch - mehr Zeit für Bier!
Burning Butthairs
Keine Ahnung, was man an Burning Butthairs so geil findet, aber irgendwie haben es die Erfurter seit 2001 geschafft, sich einen festen Fanstamm aufzubauen, zu dem wohl auch Thomas gehört. Im Grunde ist das Rezept denkbar einfach, denn die brennenden Arschhärchen zelebrieren simplen Rumpel-Grind mit Bandtrommler und fäkalen Texten. Alles nichts Neues oder Spannendes, doch das Zelt schien genau in dieser Stimmung zu sein. Vielleicht hätte man mehr Spaß daran gehabt, wenn man die Klobürste anstelle der Kamera eingepackt hätte. [Win]
Sarinvomit
Sarinvomit aus der Türkei waren sicherlich die Exoten des Festivals, bewiesen aber auf der Hauptbühne, warum sie zu Recht die lange Reise angetreten hatten. Ziemlich geilen oldschool Black Thrash mit einer Prise Death Metal, wie man es aus den 80ern kennt, wurde hier geboten. Das ging gut vorwärts und der Auftritt überzeugte. Was genau jedoch einen “Baphopanzer” auszeichnet und wie das im Detail so ist, wenn sich türkische Metaler in einem nicht mehr wirklich säkularen Staat nicht das Christentum, sondern den Islam als Erzfeind auserkoren haben (“Spreading VX Gas over Kaaba”), konnten wir nicht in Erfahrung bringen. Dennoch: Sarinvomit beweisen, dass Metal keine Herkunft kennt und bestens zur Überwindung von Grenzen dient. Weiter so! [Forest]
Décembre Noir
Décembre Noir sind gern gesehene Gäste auf dem In Flammen und durften diesmal auf dem Hauptgelände spielen, nachdem sie vor 2 Jahren im Entenkopf zum intimen Club-Konzert ran mussten. Natürlich waren auch diesmal wieder die Hits ihres Debüts “A Discouraged Believer” dabei, es gab aber auch bereits einen kleinen Vorgeschmack auf den im August kommenden Nachfolger. Schön und kuschelig! [Fur]
Nuclear Vomit
Während wir bei Sarinvomit nicht wirklich wussten, welche Form des Erbrochenen dort als Namensgeber bemüht wurde, stellt sich diese Frage bei Nuclear Vomit aus Polen gar nicht erst. Hier werden klare Fakten geschaffen: Nukulare Energie ist doof und da muss man von brechen. Klare Fakten gibt es auch musikalisch in Form von unverschnörkeltem Grindcore mit leichter Death-Kante, die einige zum Tanzen einlädt und durch strahlende Stringenz und Klarheit überzeugt. Für die Kreislauf-Freunde, die auf dem In Flammen ja stets ihr inoffizielles Gemeindetreffen feiern, ein wohliger Pogo-Partner.
Firtan
Firtan haben gerade die Zeit ihres Lebens scheint es, denn die Baden-Württemberger spielen derzeit beinahe überall auf und ernten große Lorbeeren. Ziemlich Pagan, der Firtan, muss man sagen und von daher eher eine Ausnahmeerscheinung auf dem Torgauer Acker. Da die Jungs jedoch beim Facebookvoting die meisten Stimmen abgefasst haben, scheint deren Musik doch gut gefragt zu sein und die melodisch-treibende Axt, welche hier im Zelt geschwungen wurde, lud auch definitiv zum Mitnicken ein.
Wretch
Noch immer ist sich die Redaktion uneins darüber, ob Wretch nun aus den USA oder aus Australien kommen. Der Flyer sagt so, das Archiv ganz anders. Da es aus den USA unter dem Namen aber entweder Power-Thrash oder Gothic-Black gibt und dort vorn auf der Bühne ein Mann quiekt wie ein Schwein, welches gerade abgeschlachtet wird, kann man wohl guten Gewissens sagen, dass wir es hier wohl mit Australiern zu tun haben. Am Ende aber auch egal, denn bei den Deathgrindern war man nur zur kurzen Stippvisite, denn Necromorph zerlegten gerade par excellence das Zelt, was man sich nicht länger als nötig entgehen lassen wollte. [Win]
Necromorph
Und was für ein Brett schlug einem da ins grinsende Gesicht. Der Mix aus crustigem Grind und Schweden-Death macht ordentlich Stimmung und überzeugt auf allen Ebenen. Die Lieder sind kurz und knackig, ebenso wie die Ansagen. Da bleibt kaum Zeit zum Verschnaufen. Titel wie “Excrements Of the Sun”, “Eremitenland” oder “Zivilisationsautismus” und die dazugehörigen Zeilen aus der danach frisch erworbenen CD ("[...] eingehüllt in medialer Rundumversorgung, schafft sich der Sozialautist sein Eiland in seinem urbanen Sammelbecken") bringen weitere Sympathiepunkte. Necromorph kann und sollte man auf jeden Fall mal gehört haben. So fiel es auch schwer, rechtzeitig das Zelt zu verlassen, um die nächste Band auf der Hauptbühne zu sehen.
Division Speed
Eigentlich fast selbstverständlich, dass Division Speed auf der Hauptbühne spielen sollten. Doof nur, wenn diverse Running Order-Versionen herumschwirren und man die Zeltbühne nicht vorzeitig verlassen hat. Eine der wenigen ungünstigen Überschneidungen. Da hieß es schnell Richtung Bühne marschiert und noch Klassiker wie “Sturmbattaillon” und “Division Speed Attack” mitnehmen. Wobei dann auch wieder mal klar geworden ist, warum Division Speed dereinst Fenriz’ “Band of the Week” waren. Fetzt immer noch. [Forest]
Albez Duz
Die Berliner Albez Duz sind keine Unbekannten und rocken sich mittlerweile seit zehn Jahren durch die okkulten Doom-Gefilde des europäischen Kontinents. An diesem Freitag wurde endlich einmal das In Flammen beehrt und man tat nicht nur wegen eines möglichen Blickes auf die bezaubernde Julia an der Gitarre gut daran, sich die episch-melodiösen Salven zwischen Rock, Metal und Doom im Zelt zu geben. Besonders gesanglich bekommt man von Fronter Alfonso einiges geboten, welcher zwischen Screams, Growls und vorrangig düsterem Klargesang in bester The 69 Eyes-Manier changiert. Mit diesem Mix boten Albez Duz einen schönen Ruhepol, bei dem man kurz in seinen eigenen Gedanken schwelgen konnte. Definitiv sehens- und hörenswert! [Win]
Fäulnis
Wer sich als Fäulnis-Fan outet, erntet schnell böse Blicke der Trveness-Gemeinde. Und ja, ähnlich wie Mantar werden die Hamburger Punk Black Metaller gerade etwas gehypt. Wer sich unvoreingenommen der ganzen Sache nähert, kann aber großartige Riffs und gerade an diesem Abend eine extrem fetten Sound erleben. Der Gesang und die Lyrics von Frontmann Seuche bleiben Geschmackssache, wirken aber in ihrer punkigen Rotzigkeit authentischer als das halbgare Gekrächze, was er noch auf dem 2009er Album präsentierte. Wer seinen Black Metal depressiv mag und auf Genre-Grenzen pfeift, konnte hier einen der besten Auftritte des In Flammen 2016 erleben. [Fur]
Gormathon
“Gormathon? - Das sind doch diese Deather mit der Frau am Gesang, oder?” Fast, aber auch nur solange sich Frontgröhler Tony Sunnhag nicht umdreht. Sofern man es nicht mit einer der seltenen bärtigen Ladys zu tun hat, ist das hier eindeutig ein Mann. Auch gut, denn Tony hat ein wahres Reibholz an Stimme, das dem Heavy-Death-Gemisch gut zu Gesicht steht, aber auch eine leicht merkwürdige Pagan/Viking-Note, die man mögen kann, aber auch nicht muss. Generell definitiv hörbar, aber nicht mein Favorit an diesem Abend.
Firespawn
Firespawn ist das neue Baby des charismatischen Frontmanns LG Petrov, den man ansonsten von Kapellen wie Entombed oder auch Entombed A.D. kennen könnte. Mit “Shadow Realms” veröffentlichte man im letzten Jahr ein wahres Meisterwerk von Death Metal-Schwarte, das der bodenständige Schwede an diesem Freitag in gewohnt liebevoller und publikumsnaher Art präsentierte. Gesanglich gewohnt fit und mental auf dem selben Level wie die gaffende Meute, schossen Firespawn ihre neuen Klassiker wie “Lucifer has Spoken”, “Ruination” oder “The Emperor” beherzt durch die ächzenden Boxen. Wer da nicht bei geschurzten Lippen, kopfnickend vor der Bühne stand, hat sich wohl die Oropax zu tief in die Hörmuschel gerammt. Mehr Death Metal geht nicht! [Win]
Gorilla Monsoon
Dass Lügenpresse in Leipzig nicht umsonst gerufen wird, kann man auch im aktuellen In Flammen-Bericht der Kreuzer-Galionsfigur Tobias Prüwer nachlesen, der vor Ort noch unkenrufend in Erfahrung bringen wollte, was der langsame Mist dort zu suchen hätte, was verschriftlicht mit “zum Glück möbelten Gorilla Monsoon die Stimmung wieder etwas auf”, dann doch etwas anders klingt…Hätte er sich mehr in Richtung des akustischen Sweetspots begeben, wär ihm vielleicht ein Licht aufgegangen, warum hier ein Großteil des In-Flammen-Publikums vor der Bühne ausrastete. Der Dresdner Affensturm hatte es sich nämlich wie immer zur Aufgabe gemacht, die Anlage an den Rand des Zusammenbruchs zu bringen und boten ein gewohnt fettes Brett bestehend aus Klassikern und aktuellem Zeug. Weitere Details verloren sich in meinem zermatschten und unter heftigem Beschuss stehenden Gehirn.
Venom Inc.
Bei Venom Inc. waren wir uns dagegen alle schnell einig, dass hier das falsche Venom-Trio auf der Bühne stand. Spaß konnte man als eingefleischter Venom-Fan sicher haben, wenn aber der größte Klassiker fehlt, bleibt trotz sympathischer Bühnenshow ein etwas fader Nachgeschmack. Wer mit Venom groß geworden ist, konnte hier sicher ausrasten. Im direkten Vergleich wurden wir im Vorjahr von Kronos Venom besser unterhalten. [Fur]
Venom Inc. und In the Woods habe ich mir mal ganz gediegen aus dem Zelt heraus gegönnt und die Anderen das Geschehen aus der Nähe betrachten lassen. Das Gute am In Flammen ist ja, dass man selbst in der Koje noch halbwegs guten Sound hat und selbst mit halbseitigem Kissenradio noch mitbekommt, dass die angeblichen Erfinder des Black Metal ihren ikonischsten Song nicht einmal gespielt haben - eine Unverschämtheit! Macht aber nichts, man weiß ja wie der klingt und zu dem Gedudel von In The Woods konnte man genüsslich wegschlummern - Tschüss, schöne Welt! Wir sehen uns morgen wieder mit voller Energie!
SAMSTAG
“Samstag ist’s, der Tag grünt helle - auf, los, ihr Recken, fast ist’s vollbracht! Schüttelt aus den Schlaf aus Arm und Elle und steigt herauf in voller Pracht! - A. A. Nemtheanga
Deutlich fitter und mit vollem Elan startet man nun in diesen, leider finalen, Samstag in Torgau, der so köstliche Großartigkeiten wie Kaffee & Kuchen, Malignant Tumour und die mächtigen Lyrik-Freunde Primordial bereithalten sollte. Da gibt es nichts Vernünftigeres, als in bester Bud Spencer-Manier mit einem soliden Linseneintopf bei Bier zu starten und gut gestärkt in Richtung Hauptbühne aufzubrechen, auf welcher heute Prowler den Einstand geben sollten.
Prowler
Prowler ist ein mehr als beliebter Name im Heavy Metal und die Leipziger scheinen sich nicht daran zu stören, dass die meisten anderen gleichnamigen Bands bereits das Handtuch geworfen haben. Schlechte Vorzeichen? Könnte man meinen, wenn man bedenkt, dass dieser Eröffnungstanz am Samstag zeitgleich auch den Abschied von Basser Marvin darstellte. Erste Ermüdungserscheinungen? Keinesfalls - Prowler bewiesen, dass der Heavy Metal auch anno 2016 lebendig und frisch sein kann. Mit hochfrequentem Klargesang und messerscharfen Riffs schnitten die Leipziger bereits aus der Ferne den soeben angelieferten Kuchen in kleine Stückchen, sodass dieser dann nur noch auf den Biertischen verteilt werden musste. So gut die Show der Jungs auch war, ein etwas späterer Slot hätte auch nicht geschadet, denn leicht alkoholisiert grölt es sich dann doch nochmal besser mit.
Jedesmal, wenn irgendwo Cytotoxin auf dem Zettel steht, fragt man sich, wieso? Wenn die Chemnitzer Atomkumpel dann jedoch auf der Bühne stehen, bzw. nach kürzester Zeit das gesamte Publikum sich ebenfalls dort versammelt, versteht man schon irgendwie den Zugpferdcharakter der freundlichen Grinder aus dem Erzgebirge. Musikalisch im technischen Death-Grind verortet bekommt man zwar wenig Abwechslung geboten, weshalb man sich zwar als Fan freuen kann, wenn Grimo und Co. einen neuen Song ankündigen, das als Unwissender jedoch gar nicht bemerken würde, ordentlich auf die Nuss gibt es aber immer und das ohne Kompromisse. Selbst die Pit-Skeptiker, welche sich noch an den letzten Krümeln der Kuchentafel gütlich taten, akzeptierten die martialische Freude, welche Cytotoxin auf, vor und neben die Bühne brachten. Das hat schon alles seine Daseinsberechtigung.
Abyssous
Das Chemnitzer Okkult-Trio Abyssous hat irgendwie alles richtig gemacht. 2013 Full-Length rausgehauen - gehyped worden und nicht den dicken Karl-Marx markiert. Jetzt ist der Name in der Szene präsent und alle freuen sich, wenn man die Jungs irgendwo zu Gesicht bekommt. Absolut zurecht, denn der okkulte Death Metal mit dezenter Schwarzwurzel im Abgang macht Spaß und lädt zum Kopfschütteln ein - und ja, das homerische “nein, nein - hört nicht auf”-Kopfschütteln!
Fantoft
Fantoft aus Leipzig haben sich mit ihrem 2015er Output “Possesed by Chaos” in ihrer Heimat recht beliebt gemacht, besonders bei den Zeitgenossen, die rohen und kraftvollen Black Metal der alten Schule suchen. Den gibt es bei den glühenden Verehrern der namensgebenden norwegischen Stabkirche quasi unentwegt auf die Ohren und wenngleich, nebst ein paar Kerzen, kein Feuer brannte an diesem Nachmittag, ging es dennoch heiß her im Zelt. Mit verantwortlich dafür waren für das Genre archetypische Songtitel wie “Armageddon”, “Blitzkrieg”, “Possessed by Chaos” oder auch “Desolation”, die allesamt gut nach vorn gingen und sicher ihre Momente haben, aber bei mir nicht so richtig funken wollten. Nichtsdestotrotz eine nette lokale Alternative zu 90er-Jahre-Größen.
Malignant Tumour
Malignant Tumour sind wie einer dieser Festivalfreunde, den man nur einmal im Jahr, meistens zufällig und ohne Absprache irgendwo trifft, mit dem man sich aber sofort wieder versteht. Nicht, weil man sich so viel zu erzählen hat oder weil das seltene Gegenüber einen so gut versteht. Nein, weil es einfach nur darum geht, ein bis zwölf Bier zu kippen, ein bisschen zu tanzen, zwei oder drei dumme Bemerkungen zu machen und sich dann wieder bis zur nächsten zufälligen Begegnung aus den Augen zu verlieren. Da steckt vielleicht nicht viel dahinter, aber trotzdem freut man sich jedes Jahr wieder, wenn man diesen Freund zufällig trifft und er ganz der Alte geblieben ist. [Win]
Eat The Turnbuckle legten auf Ihrer “Great American Bash Your Head In - Tour 2016” einen kleinen Zwischenstopp in Torgau ein und zeigten eindrucksvoll, welchen schlechten Einfluss Wrestling auf die menschliche Psyche (und Körper) haben kann. Wurde mir die Frage nach der Grenze des heute Erlaubten vor der Show noch mit einem süffisanten “Keine” beantwortet, zeigten doch einige Gesichter blankes Entsetzen, als nach 5 Minuten Gabel und Pizzaroller zu Verstümmelungswerkzeugen umfunktioniert wurden und das Blut in Strömen floss.
Eat The Turnbuckle
Wer schon mal einen Blick in die Backyard-Wrestling-Szene geworfen hatte, wurde allerdings höchstens von dem Umstand beeindruckt, dass die Jungs noch halbwegs passabel ihre Instrumente bedienen konnten. Gut, die Musik der Amis ist mit “simpel” noch wohlwollend umschrieben, da macht es auch keinen Unterschied, wenn der Drummer sich bei der Show am Vortag das Bein bricht, oder ein Finger in eine unnatürliche Richtung absteht. Songs wie “Fans Bring Weapons”, “Suplex City”, “Death from Above” oder “Ladders, Tables, Chairs” ließen zwar eine gewisse Ironie erahnen und definitiv konnte man hier im Moshpit Spaß haben, wenn nicht gerade ein untrainierter Mosher die eingerosteten Wrestling-Moves auspackt. Musikalisch war das aber eher belanglos. [Fur]
Dead Lord
The Vintage Caravan, Graveyard, Witchcraft, Blues Pills oder nun eben Dead Lord - die Nordländer und ganz besonders die Schweden haben nicht nur mitbekommen, dass moderne Menschen gerne einfache Möbel zusammenbasteln, sondern dabei auch gern in Erinnerungen schwelgen, wie schön es doch damals war, als man nackt und bei strahlendstem Sonnenschein im grün bealgtem Tümpel mit seiner ersten Liebe um die Wette schwamm. Ganz, ganz toll ist das und scheint sich außerordentlich gut zu verkaufen. Wer zu diesen langhaarigen, liebestollen Hippies gehört, hatte sicher eine Menge bunten Spaß mit Dead Lord. Für alle anderen war das ein guter Moment, um doch noch den Flachmann aus dem Auto zu holen. [Win]
Skeletal Remains
Skeletal Remains erinnern sofort an frühe Death. Das ist durchaus als Kompliment gemeint, sagt aber auch viel über die Eigenständigkeit und den Wiedererkennungswert der Amerikaner aus. Richtig ist das aber genau für jene, die nicht genug von dieser Spielart bekommen können, denn Death kann man leider nicht mehr live erleben und wenn es noch junge Bands gibt, die diesen Spirit aufrecht erhalten, ist das doch eine gute Sache.
Baptism
Invisible Oranges verkaufen sich leider im Allgemeinen bei Tageslicht nicht allzu gut. Die Herren von Baptism um Lord S. machen dies jedoch auch unter diesen widrigen Umständen ganz gut. Geboten wird Black Metal der 90er-Schule mit recht netten Riffs, die zu tragenden Gesten einladen. Der cleane Gesang, welcher seit den letzten zwei Alben häufiger eingestreut wird, wollte leider auch live nicht ganz überzeugen. Abgesehen davon, wissen die Finnen dem geneigten Hörer aber dennoch zu gefallen. Bei totaler Finsternis aber bestimmt noch etwas besser. [Forest]
Sabiendas
Deftigen Death Metal mit High-Speed-Kante bekam man frisch und munter im Zelt kredenzt. Liebevoll zubereitet von Köchin Alexandra und ihren Souschefs, landete das Meiste blutig auf den Tellern der lechzenden Schauküchengäste. Mit ihrem aktuellen Album “Column of Skulls” haben sich die Recklinghausener ein potentes Filetstück aus der Rippe geschnitten, von dem man gerne kostet. Ein vollmundiger Geschmack von Tod und Verderben an groovig-melodischer Riff-Essenz, der so hautnah zubereitet immer nochmal mehr Würze hat und zum Wiederkäuen einlädt. Sabiendas sind gerade auch für Trommel-Enthusiasten stets einen Besuch wert - das wurde auch heute wieder eindrucksvoll bestätigt! [Win]
Schirenic plays Pungent Stench
Pungent Stench sind sicher eine wichtige Band, die ein wesentlicher Einfluss für viele weitere war. Nicht wenige freuten sich also zu recht über diesen Auftritt, bei welchem man, gesetzt den Fall, das richtige Alter zu haben, in Jugenderinnerungen schwelgen konnte. Wenn man das damals aus irgendeinem Grund jedoch nicht auf dem Schirm hatte, weil man beispielsweise nicht aus Wien kommt, bleibt nur Lächeln und Nicken. [Forest]
Lock Up
Lock Up haben mit Nicholas Barker einen meiner trommelnden Vorbilder an Bord. Während man diesem Vorbild im Umfang des Bauches langsam entgegen strebt, ist man technisch noch weit von dem entfernt, was der Brite seinen Trommeln da in Form von High-Speed-Massage antut. Aber er muss ja auch, denn bei Lock Up geht es sowohl innerhalb als auch außerhalb der Lungen mit ordentlich Dampf zur Sache. So schön es dabei natürlich wäre, wenn der alte Peter noch das Mikrofon bemühen würde, die Frontmann-Qualitäten von Kevin Sharp sind nicht zu verachten und so brüllt sich dieser neben Dan Lilker, dem #1-Aushilfs-Bassisten für Global-Player, den Teer aus der Kehle und alle haben mächtig Spaß am traditionellen Grind-Geprügel dieser leicht gereizten Altherrenrunde. [Win]
Zur Abwechslung gab es dann Black Thrash von Deströyer 666 auf die Ohren, welcher, gerade mit Klassikern wie “I Am The Wargod”, durchaus mitzureißen weiß und mit weiteren ikonischen Songs wie “Wildfire”, “Traitor” sowie “Live and Burn”, heizen die Australier dem aufnahmefreudigen Publikum unter den Linden ordentlich ein. Aus gegebenem Anlass gab es als Zugabe noch eine Lemmy-Huldigung in Form des 82er Motörhead-Klassikers “Iron Fist”, bei welchem der Bruder von irgendwem mit auf der Bühne stand. Nette Geste und ordentlich Wucht von Down-Under. Kann man machen. [Forest]
“Where Greater Man Have Fallen”, baute man einst den “Babel Tower”, doch “As Rome Burns”, steigt die Nachfrage an “Coffin Ships”. Wir alle waren natürlich mit unserem Liebling aus der ”Republic of Ireland” und mit seinem an diesem Abend musikalisch herausragenden Kollegen, die den ein oder anderem wieder zu Tränen rührten. Das kommt natürlich nicht von ungefähr, denn Primordial-Fronter Alan hat nicht nur Wut und Ärger über diese elende Welt und ihre Umstände in sich, sondern auch die Gabe, jene in höchst mitreißenden und emotionalen Gesangssalven an seine bedächtig bis frenetisch lauschenden Zuhörer weiterzugeben.
Primordial
Wenn die Iren spielen, sind alle zur Stelle und selbst nach 23 Jahren ist von dieser Magie nahezu nichts verloren gegangen. So auch an diesem Abend, der erneut dieses Kribbeln im Bauch verursacht hat, das ansonsten nur auftritt, wenn man mit 90 Sachen über einen Geschwindigkeitshuckel brettert. Für mich hätte hiernach die Musik auch verklingen dürfen. Primordial haben alles gesagt, was an diesem Abend gesagt werden musste.
Brujeria
Brujeria ist noch so eine wichtige Band des extremen Metals, bei der man am besten damals schon Fan war, um sich jetzt freuen bzw. verstehen zu können, warum das Kult ist. Nicholas Barker konnte man kurz zuvor schon deutlich ausgereifter bei Lock Up erleben und das Nacho Libre-Gedödel der beiden Fronter wollte auch nicht so richtig zünden. Ich war am Ende nur froh, dass niemand von irgendwem erschossen wurde und habe mich ungeschlagen aus dem Fotograben zurückgezogen.
Fazit:
Jahr eins nach dem großen Jubiläum im vergangenen Jahr zeigt, dass sich Thomas und seine Crew keineswegs auf bereits Erreichtem ausruhen und sich wohl auch in den kommenden neun Jahren bis zum nächsten Festival-Jubiläum Arme und Beine ausreißen werden, um ihre höllische Gartenparty zu dem freundlichsten und freiesten Ort zwischen Taklamakan und Polarmeer zu machen. Ein wichtiger Grund, weswegen sicher auch im nächsten Jahr wieder mehr neue Gesichter nach Torgau pilgern werden, um den vielen Lobreden nachzuforschen, die sich das In Flammen definitiv verdient hat. Insgesamt wurde dieses Jahr neben Kaffee und Kuchen zwar mehr Gehacktes anstelle von Invisible Oranges angeboten, doch wer keinen variablen Gaumen hat, sollte sowieso schauen, ob er auf solch musikalisch breit aufgestellten Ackern gut aufgehoben ist. Wir können es jedenfalls nur empfehlen und fiebern jetzt schon dem kommenden Jahr entgegen und schließen schlichtweg mit einem simplen: Danke! [Win]