Wenn der Leipziger Süden irgendwann mal vollständig gentrifiziert ist, wird mir wohl das Zoro mit am meisten fehlen: ein heruntergekommener Club in irgendeinem Hinterhof, nur über ein verwinkeltes Kellersystem zu erreichen und direkt durch sein Aroma aus Urin und dem Rauch von gestern zu identifizieren. Aber vielleicht übersieht man ja beim Aufkaufen und Abreißen dieses Kleinod subkulturellen Lebens ganz einfach. So oft, wie ich schon Konzerte dort verpasst habe, wäre es durchaus möglich. Diesmal aber nicht, denn ein Bekannter gab den Tipp, dass sich Ash Borer als Leipziger Tourstop dieses Kellerloch ausgesucht hatten. Fell Voices waren auch dabei, was auch einigermaßen stilistisch passt, bieten doch beide sehr rauen atmosphärischen Black Metal, der in der Presse gerne mal als „Cascadian Black Metal“ bezeichnet wird, was auch immer das sein soll.
Vidargängr
Mindestens ebenso wichtig war der lokale Support von Vidargängr, die sich noch gar nicht mal so lange mit ihrem punkigen Black Metal durch den hiesigen Untergrund bolzen. Wer wollte, durfte sich mit Shirts, Patches oder Platten eindecken. Schade, denn auf dem Rad im Regen quer durch die Stadt macht sich eine Schallplatte schlecht. Aber dafür gibt es ja demnächst Tapes...
Vidargängr
Wie immer zeigte sich das Zoro wenig arbeitnehmerfreundlich, erst kurz vor 23 Uhr betraten die Leipziger die Bühne. Nachdem eine Kubiktonne Nebel in den fensterlosen Raum gepumpt und alle Kerzen entzündet waren, ging es los. Dabei kommt das Material der Leipziger gar nicht so arg punkig rüber. Klar der Drum packt ab und an typisches Punkgeholze aus und das ein oder andere Riff erinnerte daran, aus welcher Ecke die Jungs kommen, ansonsten verströmten Vidargängr neben Verwesung und Ekel auch eine ganze Menge Atmosphäre (der fiesen Art). Die Augen brannten zwar schon heftig vom unablässig nachströmenden Nebel, einen Grund zu gehen, gab es aber nicht. Stattdessen konnte man im sehr vollen Zoro ob dieser köstlichen Untergrundperle einige lächelnde Gesichter in der trüben Wolkenwand ausmachen.
Fell Voices
Fell Voices
Fell Voices erschienen mir im Vorhinein schon wie eine Band, die gerne wie die Großen klingen will, aber noch ziemlich weit davon entfernt ist. Dieser Eindruck bestätigte sich auch live. Erst bekam man das Brummen nicht von den Gitarrenboxen weg und dann merkte der Bassist erst zur Hälfte des ersten Songs, dass sein Kabel nicht eingesteckt war. Das Musikerleben ist schon schwierig. Da half es auch wenig, einen absolut verrückten Drummer dabei zu haben, der seine Schlagzeug-Mikrofone dazu nutzte, wie ein Besessener zu brüllen und so den eigentlich textlosen Songs eine weitere Komponente hinzuzufügen. Die brauchten sie auch, denn das Material der Kalifornier ist schon sehr simpel gestaltet. Sicherlich mit einigen guten Ideen, aber weit weg von der Qualität anderer Drone und Ambient Black Metal Bands. Denn gerade bei so „einfacher“ Musik muss jedes Detail stimmen.
Ash Borer
Das tat es dann bei Ash Borer. Mit zwei Gitarren und Synthesizer ausgestattet, war gleich deutlich mehr Melodie im Spiel, der Klangteppich stimmiger und bedrückender. Atmosphäre entsteht schließlich nicht durch das simple Schrammeln beliebiger Akkorde, sondern durch das Erzählen einer Struktur, Auf- und Abbauten, Verflechtungen, Überschneidungen und Einbrüche. Hier war alles im Fluss, ob man nun meint, drei Songs á 5 Minuten oder einen fünfzehnminütigen Song gehört zu haben. Wenn irgendeine Band aus Kaskadien die Lücke füllen kann, die Wolves in the Throne Room mit ihrer Pause hinterlassen haben, dann sind es die asiatischen Eschenprachtkäfer... ähhh Ash Borer. Kein Wunder, dass es dem Publikum nach einer Zugabe dürstete. War ja erst kurz vor 2 Uhr an einem Mittwoch...