Wir wollen uns nichts vormachen: wenn Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ein Shirt von AC/DC trägt, so ist dieses Verhalten in etwa so authentisch, als würde der Dalai Lama ein Textil mit dem Konterfei Adolf Hitlers tragen. Rock ’n’ Roll ist Schmutz. Rock ’n’ Roll ist Schweiß. Rock ’n’ Roll ist billiges Bier und Analverkehr, ist also doch weit mehr Bukowski als ein Aristokrat, der seine exquisiten Speisen mit abgespreiztem kleinen Finger einzunehmen pflegt.

Natürlich hatte ich selbst noch nie die Gelegenheit, mit Karl-Theodor zu Guttenberg an einem gemeinsamen Essen teilzunehmen, was meine Bemerkung zu seinen kleinen Fingern somit zu einer hochhypothetischen Sache macht. Überhaupt habe ich noch nie mit einem Menschen in einem Lokal zusammen gesessen, welcher ein „von“ oder „zu“ im Namen trägt, allenthalben nur mit Menschen, die wie die meisten anderen Menschen auch nur ganz normale Familiennamen wie bspw. Schulze oder Garnikandowotzky tragen, aber auf jeglichen namentlichen Budenzauber seit Generationen verzichten. Was auch den überaus großen Vorteil mit sich bringt, dass man im Falle eines Falles nicht bei unfallbedingtem Blutspendebedarf wegen fehlenden blauen Blutes in den Regalen der Blutspendebank ins Leere greifen muss. Doch dies nur am äußersten Rande dieser Kolumne, denn in der Tiefe meines von kalkigen Adern umkränzten Herzens ist es mir doch vollkommen „wurscht“, ob jemand für sich proklamiert, grünes, gelbes oder eben auch blaues Blut zu haben, denn es ist, wie meine Annahme in Bezug auf Guttenbergs kleine Finger, nur subjektiv und zudem meistens auch nur so was von falsch. Schließlich zeigte doch noch jede Revolution, dass, wenn irgendwo auf dieser Welt aristokratisches Blut floss, dieses auch nur rot wie Kirschsaft war. Genau wie das Blut der Schulzes oder Garnikandowotzkys.

Und es ist ja auch nicht die Farbe von Blut, welches mich blutrot vor Zorn werden lässt, sondern die Vereinnahmung der Musik des kleinen Mannes durch die Bagage, die den kleinen Mann seit Jahrhunderten erst zum kleinen Mann machte und macht. Jene Oberschicht also, die die Bedingungen schuf, pflegte und erhielt, dass eine Oberschicht wie Gott in Frankreich leben kann, weil sie eine Unterschicht erschaffen hat, die, getrennt von ihr durch das Polster der Mittelschicht, alles auf ihr ruhende finanziert. Was, hier bin ich ehrlich, aber nicht nur von einer gewissen sozialen Kaltschnäuzigkeit, sondern somit auch von einem auf Überlebenskampf getrimmten Dasein zeugt, welcher Darwin posthum nicht als rechthaberisch, sondern als Recht habend darstellt. Das „von“ und das „zu“ als vererbbares Besserstellungsmerkmal, welches seine Kraft nicht aus körperlichem oder intellektuellem Vorteil, sondern aus Unlogischem bezieht.

Doch ich will an dieser Stelle nicht politisieren, nicht den in die Jahre gekommenen Revoluzzer einer längst ans Gerechtigkeitslimit gekommenen Gesellschaft geben. Schließlich besteht eine Gesellschaft nicht nur aus Guttenbergs und Schmierfinken. Verwehren möchte ich mich nur dagegen, dass ein Westerwelle demnächst vielleicht ein Marduk-Shirt trägt, Arbeitgeberpräsident Hundt ein Shirt von Endstille und Roland Koch gar ein Shirt von Belphegor. Denn in mir keimt der Verdacht, dass Leute vom Range eines Guttenberg ihr AC/DC-Shirt sofort vom Leibe reißen und der polnischen Putzfrau zum Säubern ihrer prunkvollen Toiletten überlassen, sobald sie den Dunstkreis der Öffentlichkeit verlassen haben. Und dies ist kein Vorwurf. Schließlich passen Champagner und ein Bon Scott, der auf dem Rücksitz eines Autos an seinem Gekotztem erstickte, keinesfalls zusammen. Kurze Rede, langer Sinn:

Wenn ihr den kleinen Leuten schon soviel genommen habt, so lasst ihnen wenigstens den Rock ’n’ Roll.




Nachtrag: Die Shirts zum Text demnächst auf www.metalpolizei.de !