Marktführer sind häufig eher unbeliebt (Selbst Apple stößt nicht auf allgemeine Gegenliebe). In der Metalszene trifft es im Allgemeinen immer Nuclear Blast Records, wenn zum Beispiel über den Ausverkauf des Metals gesprochen wird. Das sich der Plattenfirmenprimus vom sympathischen kleinen Dorflabel zum globalen Megakonzern gemausert hat, der nach belieben die Konditionen mit seinen Vertragspartnern bestimmt, ist eigentlich nur der logische Verlauf im kapitalistischen Wirtschaftssystem. Wer oben mitspielen will, hat nunmal nichts zu verschenken.

Im Gegenzug musste sich das Dinkelsbühler Unternehmen in der Vergangenheit desöfteren die ein oder andere Anfeindung gefallen lassen. Nicht umsonst konnte man nach dem Castingverfahren um die melodische Metalcore-Truppe Sonic Syndicate hier und dort die mit Verachtung bestückte Genre-Neuschöpfung hören, welche Bands mit wenig Experimentierfreude und bis zur Klebrigkeit eingängigen Arrangements seitdem nur noch als „Nuclear Blast Metal“ bezeichnet. Auch bei der Fachpresse hat Nuclear Blast mitunter einen, sagen wir, schwierigen Stand. Aber das soll alles keine Rolle mehr spielen. Denn Nuclear Blast Records gründen ein neues Sublabel:

„Voller Stolz verkündet das größte independent Metal Label NUCLEAR BLAST RECORDS, die Gründung des Sublabels ANSTALT RECORDS, das dieser Tage seine Pforten öffnet um unserem dem Untergang geweihten Planeten einen Spiegel vorzuhalten. Die Devise: Maximale Dosierung!
Das Konzept: Kein Konzept!“

Kein Konzept? Ja so funktionieren gute Labels, die wirtschaftlich agieren müssen! Mal sehen wie es weitergeht:

„Die Anstaltsleitung und das Pflegepersonal beherbergen derzeit 3 extrem schwerstverwirrte, der Öffentlichkeit kaum zumutbare Patienten, deren Temperamente nur medikamentös unter Kontrolle gehalten werden können:“

Soweit so gut, man sucht also ein frisches Labelgesicht, unter dem man das Dreckigste vom Dreckigsten anbieten kann. Übles musikalisches Zeug also. Klar, der moderne Nuclear Blast Katalog Leser würde sich bei dem Anblick von Gedärmen auf dem Albumcover oder dem Hören sperriger Kakophonien wohl mit flauem Magen abwenden. Anderseits würden wohl auch Freunde des untergrundigsten Gekloppes Veröffentlichungen, die mit dem grünen Atomwarnzeichen versehen sind, nicht mal mit dem Strahlenschutzanzug anfassen.

Interessanterweise endet die Vorstellung der ersten Band auf der eigenen Homepage mitten im Satz: (Link)

„Wer auf Punk, Sludge und Crust steht und außerdem ein Faible für wirklich kranke Scheiße hat, ist mit BAKTERIA perfekt“ - perfekt was?

Hmmmm, zum Glück wurde die Originalbotschaft vorher fleißig verteilt. Also geschwind gegoogelt:

„1992 gegründet, waren BAKTERIA die Ersten, die mit dem Konzept einer komplett mexikanischen Metal-Band auftraten! Wer auf Punk, Sludge und Crust steht und außerdem ein Faible für wirklich kranke Scheiße hat, ist mit BAKTERIA perfekt bedient! So krank, wie ihre Texte, ist auch die Band selbst. Sänger Umberto Torres beendete, Berichten zufolge, ein Konzert in Juarez, Mexico City, in dem er einen Zuschauer mit einer Handfeuerwaffe tötete -- die Band darf außerdem aus rechtlichen Gründen nicht in Deutschland, Kanada oder Equador auftreten! BAKTERIA AIN'T NUTHIN' TA FUCK WIT'!“

Wow, wenn der Mord an einem Zuschauer nicht für die musikalische Qualität einer Band spricht, dann weiß ich auch nicht. Jahrzehntelang haben Gitarristen versucht, Metal einen Klang zu geben. Schlagzeuger ballerten um die Wette auf der Suche nach der ultimativen Geschwindigkeit und Sänger tüftelten an einer Technik für möglichst extremen Gesang ohne Langzeitschäden. Alles umsonst. Natürlich war und ist Show wichtig. Jede Stilrichtung hat ihre Devotionalien, ganz egal ob Spandex, Corpse-Paint oder Chirurgenhemden. Es ist aber reichlich schwer, sich einen Musikfan vorzustellen, der es toll findet, bei einem gemütlichen Konzert mit Freunden erschossen zu werden. Umgekehrt scheint sich die Coolness einer Band auch nicht zu erhöhen, wenn Zuschauer die Musiker erschießen. Sonst wären Damageplan heute wohl angesagter als Pantera...

Die anderen beiden Labelzugänge erspare ich mir hier aus Platzgründen und der absoluten Unbedeutsamkeit der Bands. Die Herangehensweise des Labels lässt aber erahnen, wer hier der Vater des Gedanken ist. Statt wirklich mutigen, genresprengenden, heftigen Bands eine Chance zu geben, werden billige Effekte bedient, die vielleicht bei 14jährigen Jungmetallern ziehen, aber bei gestandenen Metallern nur zu ungläubigen Blicken reichen. Besungen werden darf alles und Kirchen anzuzünden war vielleicht mal cool. Leute umbringen aber nie.