Seit einigen Wochen ist "Nomos Hamartia", das neue Werk von Sado Sathanas, auf dem Markt und wir fanden es eine gute Idee, Gründungsmitglied und Trommler Sebastian mal zu fragen, was sich die Dresdner eigentlich dabei gedacht haben. Viel Spaß mit einem tiefen Einblick in das Konzept und die Hintergründe von "Nomos Hamartia".

Hallo Sebastian, erstmal herzlichen Glückwunsch zur neuen Platte. "Nomos Hamartia" heißt euer neues Werk, das im Cover sowie im Namen auf Dantes "Göttliche Komödie" referiert. Was kannst du uns zum Konzept des Albums sagen?
Das Konzept zu erklären ist etwas schwierig, da es mehrere Ebenen hat. Den thematischen Rahmen bilden die sieben Todsünden, allerdings immer im Spannungsfeld von Ordnung („nomos“) und dem Chaos, das sich durch Sünde, also den Verstoß gegen die Ordnung, manifestiert („hamartia“). Dabei wird das Chaos als die einzig mögliche schöpferische Kraft betrachtet. Deren Verflechtungen und Wechselwirkungen greifen wir auf. Visuell beziehen wir uns auf Dante und dessen „Göttliche Komödie“, um Assoziationen auszulösen, die einen Zugang zu diesem Thema ermöglichen. Allerdings ist dies nur ein Teil des visuellen Konzeptes, das durch eine leicht verfremdete Zeichnung von Hieronymos Bosch mit dem Titel „Die sieben Todsünden“ ergänzt wird. Die Texte handeln jedoch primär von Verachtung, Hingabe und Stolz, wenngleich sie sich auch auf die Figur der „Hölle“ in ihren mannigfaltigen Spielarten (also Dante) beziehen. Dem Konzept der (Erb-) Schuld stellen wir dabei eine Alternative entgegen: Freiheit und Selbstverantwortung, deren Kosten nicht zu unterschätzen sind. Musikalisch wird dieses Konzept umgesetzt, indem wir sowohl mit atmosphärischen als auch mit aggressiven Anteilen arbeiten. Diese Trias ist gewissermaßen das Sujet des Albums. Das ist durchaus als Kontinuität zu betrachten, es geht dabei um die Idee, die hinter Sado Sathanas steht. Unsere Veröffentlichungen seit unserem ersten Demo sind in diesem Kontext zu betrachten: Es geht uns um wahren Sadismus, der mit einer Form von Gewalt einhergeht, die unberechenbar ist. Also nicht von Plüschhandschellen handelt. Die Tracks reflektieren Macht und Autorität in einem komplexen Zusammenhang aus visuellen, lyrischen und habituellen Komponenten bzw. Aspekten.
Beschäftigen sich die Songs inhaltlich auch mit Dante oder wie habt ihr das Konzept umgesetzt?
In den einzelnen Tracks geht es weniger um Dante, sondern um Sünden, also Handlungen, die nach religiösen Dogmen zu Sanktionen führen und damit Unterdrückung von Körper und Geist durch eine Institution ermöglichen. Dadurch werden natürliche Triebe unterdrückt, die eine Entfesselung des Geistes und des Körpers nach sich ziehen können. Die Folgen kann man jederzeit beobachten, wenn man unter Menschen geht. Klar, einige Konzepte und Metaphern sind Dantes „Göttlicher Komödie“ entlehnt, aber das ist nicht als starres Korsett zu verstehen. Zwei Tracks, „Ante Bellum“ (vor dem Krieg) und „Codex Diaboli“ sind instrumental. „P.A.N. Demonia“ ist durch das Buch „Paradise Lost“ von John Milton inspiriert, in dem das Pandämonium als Hauptstadt bzw. Zentrum (im englischen „capital“) Luzifers und anderen gefallenen Engeln beschrieben wird, also sozusagen als Mittelpunkt der Hölle. Das Wortspiel P.A.N. verweist auf den Gott Pan aus der griechischen Mythologie als einen Hybriden aus Tier („hamartia“) und Mensch als Repräsentant einer göttlichen Ordnung („nomos“). Im Text geht es um die Geburt des Selbst, um Macht und Stärkte durch Beschwörung, Meditation und darum, Opfer zu kreieren. „Martyrium“ handelt von dem Preis, den man dafür bezahlen und die Ketten, die man dabei loswerden muss, also die Erkenntnis dessen, was uns schwächt: Konventionen die zur Versklavung des Selbst und Fremdbestimmung führen. Bei „Invertum“ geht es um Ignoranz und die Verachtung, die wir dafür empfinden. Bleibt noch der Titeltrack „Nomos Hamartia“. Der fasst den Inhalt quasi zusammen und definiert den thematischen Rahmen des Albums. Hier finden sich die von dir vermuteten Verweise auf die Beschreibung der Höllenkreise in Dantes „Inferno“.

Vier Jahre sind eine lange Zeit, wie lief der Schreibprozess der Platte ab. War das ein langwieriger Prozess für euch?
Nein, es lief wie immer: Wir treffen uns einmal die Woche und arbeiten an Ideen. Wenn wir dann irgendwann der Meinung sind, dass wir genügend Material haben, nehmen wir die Stücke auf. Gut Ding will eben Weile haben. Tut mir leid, wenn das jetzt unspektakulär klingt. Uns war weder langweilig noch haben wir uns unnötig unter Druck gesetzt. Das ist halt einfach unsere Herangehensweise. Der langwierige Prozess beginnt erst im Studio, wo wir um Sounds, Beckenschläge, Achtel und Sechzehntel feilschen. Da hat jeder Beteiligte mindestens eine Idee.
Für die Aufnahmen habt ihr euch mit Michael Zech (Secrets of the Moon) von den SOS-Studios zusammengetan. Wie seid ihr an in herangekommen und wie lief die Arbeit mit ihm?
Das erste Mal haben Krell und ich ihn in Leipzig bei einem Konzert von Negura Bunget getroffen, bei denen er damals noch mitgespielt hat. Wir sind nach deren Show ein wenig ins Quatschen gekommen, haben uns danach aber für eine ganze Weile aus den Augen verloren. Erst ein paar Jahre später auf dem Party.San sahen wir uns wieder und trafen uns dann ein paar Wochen später in Erfurt, wo wir mit Odem Arcarum und Dordeduh gespielt haben. Nach den Aufnahmen zu "Opus Diaboli", die wir noch in Eigenregie durchgeführt haben, wollten wir unbedingt in einem anderen Studio aufnehmen, damit jemand am Produktionsprozess beteiligt ist, der nicht Teil der Band ist und ein Stück weit Objektivität bewahren kann. Wir haben über einige Studios diskutiert und eigentlich hatte ich den Plan, bei Edmond Karban (Ex-Negura Bunget, Dordeduh) im Consonance-Studio in Timisoara (Rumänien) aufzunehmen. Seine Arbeit für Dordeduh sowie das aktuelle Album von unseren Freunden Gothic hat mich sehr beeindruckt. Das scheiterte jedoch aus logistischen Gründen, denn bei damals noch fünf, jetzt sogar wieder sechs Leuten in der Band, die alle noch andere Verpflichtungen haben, war es schwierig, Termine zu koordinieren, unser Equipment zu transportieren und eine Unterkunft zu finden. Edmond brachte mich dann auf die Idee, es mit Micha zu versuchen. Ich kannte zuvor schon seine Arbeit für Haradwaith und habe ihn einfach mal angefragt, ob er Zeit und Bock hat und was der Spaß kosten soll. Wir haben dann recht schnell zueinander gefunden und bereuen die Entscheidung nicht. Die Zusammenarbeit lief sehr gut, natürlich kam uns dabei auch seine Erfahrung zugute. Inzwischen haben wir mit seiner Hilfe auch einen Sound gefunden, der vollkommen unseren Vorstellungen entspricht. Klar, jetzt wo wir uns besser kennen, werden wir bei den nächsten Aufnahmen einige Details verändern, aber insgesamt passt alles prima.

Sado Sathanas
Ursprünglich sollte "Nomos Hamartia" auf Black Blood Records erscheinen, doch kurz vor dem Release habt ihr noch einmal das Label gewechselt. Was war der ausschlaggebende Punkt für den kurzfristigen Wechsel?
Eins vorweg: Wir sind nicht im Streit auseinandergegangen. Es ist einfach so, dass sowohl Black Blood Records als auch Naturmacht kleine Labels mit einem sehr engen Budget sind. Ursprünglich wollten wir das Album im Herbst herausbringen, waren aber noch nicht fertig. Inzwischen hatten auch Waldgeflüster ihr neues Album fertig und wir mussten uns erstmal wieder hinten anstellen. Ist ja durchaus verständlich wenn man bedenkt, dass Waldgeflüster öfter in Deutschland und Österreich spielen und mehr bzw. schneller Platten verkaufen (wenngleich "Opus Diaboli" bis auf wenige Exemplare ebenfalls „sold out“ ist). Auch in den Rezensionen größerer Medien sind sie bisweilen besser weggekommen als wir. Zudem war die Produktion von "Nomos Hamartia" kostenintensiver. Wir hatten von Anfang an die Abmachung, dass wir jederzeit das Label wechseln können. Also haben wir bei Robert (Naturmacht) angefragt, er hat uns ein faires Angebot gemacht und so haben wir uns entschlossen, zu Naturmacht zu gehen.
Jetzt seid ihr bei Naturmacht Productions unter Vertrag, die unter anderem auch Agael und Gandreid beherbergen. Kanntet ihr das Label schon vorher und wie seid ihr dort so schnell unter die Haube gekommen?
Ich kannte Robert (Brockmann) schon vorher als Partner von Black Blood Records und fand seine Labelpolitik sympathisch. Er wiederum fand Sado Sathanas schon immer gut, und so kam eins zum anderen. Wir sind sozusagen mit der besten Freundin unseres ehemaligen Labels ins Bett gestiegen. Was uns sehr entgegenkommt ist seine internationale Ausrichtung, Black Blood konzentriert sich ja eher auf den deutschsprachigen Raum.
Robert Brockmann (Labelchef von Naturmacht) ist jetzt auch als fester Bassist bei euch eingestiegen. Zuvor blubberte Ronny Schmidt (Delusive Dawn) bei euch. Wie kam der Wechsel zustande und was waren die Gründe dafür?
Ronny hatte vor zwei Jahren einen schweren Motorradunfall, der ihn zu einer längeren Pause zwang. Wir haben ihn dennoch nicht ersetzt, weil er ein wichtiger Teil der Band war. Inzwischen hat er jedoch entschieden, sich seinem neuen Haus und seiner Familie zu widmen, und das respektieren wir natürlich. Allerdings funktioniert Sado Sathanas ohne Bass live lediglich suboptimal. Da wir wussten, dass Robert Bass spielen kann, haben wir ihn einfach mal eingeladen, um es mit uns zu probieren, und es funktioniert sowohl musikalisch als auch menschlich super.
Im September wart ihr gemeinsam mit Macht in Rumänien auf Tour. Habt ihr dort bereits neue Songs gespielt? Wie kamen die vor fremdem Publikum an?
Ja, haben wir; und zwar alle bis auf „Codex Diaboli“. So fremd ist das Publikum dort gar nicht. Ich glaube, wir spielen dort fast öfter als in Deutschland. Die Stücke kamen sehr gut an. Zunächst hatten wir geplant, "Nomos Hamartia" exakt zum Tourstart zu veröffentlichen, kamen jedoch in Zeitverzug. Das brachte zwar den Nachteil mit sich, dass das Publikum die neueren Tracks noch nicht kannte, gleichzeitig konnten wir die Stücke so aber vor, ich will mal sagen, unbedarften Hörern testen. Und wir haben gemerkt, dass sie auch live funktionieren.

Wie kam die Tour eigentlich zustande. Kanntet ihr dort bereits Leute, mit denen ihr das zusammen organisiert habt?
Wir waren ja schon ein paar mal in Rumänien und stehen in engem Austausch mit Bands und Organisatoren. Also haben wir die Kalender gezückt, zehn Tage Urlaub abgestimmt und uns mit unseren Partnern in Verbindung gesetzt. Da wir schon seit Jahren zusammenarbeiten, läuft das inzwischen relativ entspannt. Macht kannten wir natürlich schon vorher und haben sie uns gezielt ausgesucht, da wir keinen Bock hatten, mit irgendwelchen Spinnern zu touren. Sado Sathanas waren für das Booking zuständig und Macht haben uns bei der Logistik unterstützt.
Zurück zur Platte: Das Artwork ist, wie schon erwähnt, Dantes "Göttlicher Komödie" entliehen. Wer hatte die Idee dazu und wer setzte diese letztendlich um?
Die Idee hatte ich, da ich die meisten Texte schreibe und in diesem Zusammenhang auch viel Zeit in Recherchearbeit investiere. Dabei fiel mir diese Zeichnung auf und ich habe mit den anderen darüber gesprochen. Das Bild zeigt Luzifer mit drei Gesichter und drei Mündern, mit denen er drei Verräter (Judas Iscariot sowie die römischen Senatoren und Mörder Cäsars Gaius Cassius Longinus und Marcus Iunius Brutus) verschlingt. Der Rest der Band fand den Vorschlag gut, das Design hat Martin (Himstedt) zu verantworten. Er hat auf der Grundlage des Originals ungefähr zehn Designs entwickelt, und wir haben uns auf das geeinigt was nun vorn auf der CD zu sehen ist. Die Fotos hat irgendein Penner in einer Kirche in Transsylvanien geknipst.

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Ihr scheint einen sehr traditionellen Weg des Black Metals zu verfolgen. Was macht für euch Black Metal aus und wo liegen für euch die essentiellen Konzepte von Black Metal?
Kurze Antwort und Gaahl-Zitat: Satan! Das ist der kleinste gemeinsame Nenner. Ich könnte kotzen, wenn Bands den technischen Fortschritt und dessen Risiken, urbane Ängste, nautische Themen oder das Wetter besingen und das dann auch noch als Black Metal verkaufen. So gesehen sind The Devil's Blood mehr Black Metal als so manche Kaspertruppe. Die Ansätze für Black Metal sind in diesem Rahmen natürlich vielfältig und ich kann hier nur für mich selbst sprechen, aber mein Zugang ist vor allem der Philosophie und Ästhetik entlehnt. Ich habe keinerlei naive Vorstellungen von Tod und Teufel und hänge auch nicht an vulgärsatanistischen Ideologien. Ich orientiere mich eher an reflektierteren Zugängen. Symbole und Rituale spielen dabei durchaus eine Rolle, denn sie sind die Träger und Manifestationen transzendentaler Bedeutung.
Wenn man "Opus Diaboli" mit "Nomos Hamartia" vergleicht, fällt auf, dass der Ansatz deutlich komplexer geworden ist. Wo siehst du die Unterschiede zu eurem Debüt-Album und was macht ihr jetzt vielleicht anders als früher?
Nun, ganz klar im kompositorischen Bereich. Bis auf zwei Stücke befinden sich nur Tracks auf "Opus Diaboli", die entstanden sind, bevor Martin (Himstedt) zur Band gestoßen ist, zum Teil sogar in den 90ern. Krell kam bis dahin mit Riffs an, die wir dann gemeinsam arrangiert haben, nur ab und zu kam ein Riff oder eine Bridge von mir dazu. Mit zwei Komponisten sind wir deutlich variabler und jammen auch mehr. Außerdem bringt Martin mehr Einflüsse mit. Bevor wir "Nomos Hamartia" aufgenommen haben, war ich der festen Überzeugung, dass alle wichtigen Alben in den 90er Jahren veröffentlicht wurden oder zumindest von Bands herausgebracht werden, die in dieser Zeit entstanden sind. Hier konnten Martin, aber auch Michi (Zech) mich eines Besseren belehren. Außerdem war die Produktion im SOS sicherlich von Vorteil. Wir hatten zum ersten Mal eine Vorproduktion und ich habe die Drums dieses Mal komplett auf Klick eingespielt.
Gibt es mit dem Release schon Pläne für kommende Konzerte oder weitere Touren?
Das einzige Konzert was bis jetzt wirklich geplant ist, findet Anfang 2015 statt. Es existiert die Idee einer Tour durch Polen und das Baltikum im Herbst diesen Jahres und evtl. ein paar Einzelshows in Deutschland, aber das ist alles noch in der Planungsphase. Ehrlich gesagt haben wir keinen Bock, an jeder beschissenen Steckdose zu spielen und gehen sehr selektiv vor, was Konzerte angeht. Wir gondeln nicht für eine Kiste Bier durchs Land, damit wir auf der Bühne den bösen Wutz heraushängen lassen können und wollen mit unserer Musik keine Party feiern.

Sado Sathanas
"Nomos Hamartia" ist gerade erst erschienen, dennoch die Frage: Was sind die Ziele für die nächsten fünf Jahre? Steht schon Material für ein weiteres Album?
Derzeit sind wir gerade dabei, Robert einzuarbeiten, aber es gibt in der Tat schon ein paar neue Riffs und Ideen an denen wir arbeiten. Es ist nicht geplant, vor 2015 etwas aufzunehmen, denn wir wollen uns die nötige Zeit lassen. Es kann also durchaus wieder später werden. Wir haben vor, uns dieses Jahr mit unseren Instrumenten einige Tage in eine Hütte in Böhmen zu verziehen und bei Wein und Kaminfeuer ein paar neue Sachen auszuprobieren, mal schauen was dabei herauskommt. Was in fünf Jahren wird, können wir derzeit nicht absehen, aber wir planen für die nächste Zeit eine 7'' Split mit Sincarnate.
Vielen Dank für deine Zeit. Die letzten Worte gebühren dir!
Auf unserer Bandcamp-Seite könnt ihr in das Album reinhören. 666!