Meine Fresse, kaum zu fassen, dass diese kaputten nackten Affen wirklich drei Jahre lang ruhig halten konnten. Aber vielleicht war es nur besser so, denn mit dem Reunion-Album „Welt ohne Werbung“ springen die Krefelder der Gesellschaft mit tollwütigem Schaum im Maul direkt an die Kehle. Es scheint, als hätte man sich in der kampfhörspielfreien Zeit schwammgleich mit Abscheu, Unmut, Ekel und Verachtung vollgesogen, um nun aufgrund von Übersättigung zu platzen. Dabei hat man zum Glück nicht vergessen wie man Musik macht und legt sogar noch die ein oder andere Schippe drauf.

Weiterentwicklung ist ja das A und O der heutigen Zeit und macht selbst vor den Grundpunkern nicht Halt. Sei es durch die vielen Nebenprojekte (Fake Idyll, Das Oldschoolformat der Zukunft und Mädchendreck), welche man kurz nach dem Aus von Jaka initiiert hat oder durch selbstauferlegtes Üben; Japanische Kampfhörspiele klingen anno 2014 vielschichtiger, frischer und facettenreicher denn je. Setzte man in früheren Zeiten noch auf kurze, knackige Grindlyrik, bedient man sich auf WOW gern auch anderen Genres und lässt sich für die Songentwicklung genügend Raum. So spürt man mit „Chef de Cuisine“ einen leichten Hang zum Black Metal, geht bei „Neuro Enhancement“ fast schon progressiv zu Werke und bedient mit „Philosophie“ auch gekonnt die Doom-Schiene. Dabei fehlt es nie an melodischer Gitarrenarbeit und auch an Groove hat das Quintett einiges zugelegt. Mit eingängig-treibenden Riffs, welche fantastisch nach Death Metal schmecken, gehen die Songs stets ordentlich nach vorn und wissen mit einer voluminösen Abmischung zu überzeugen. Trotz der Diversität der Songs bewahrt sich das Album einen homogenen Klang und wirkt wie aus einem Guss.
Doch wer bei JaKa nur auf die Musik hört, verpasst den besten Teil. Von Wirtschafts- über Sozial- bis hin zu Medien- und Forschungskritik reicht die Spannweite der durchweg lesens- und hörenswerten Texte von „Welt ohne Werbung“. Dabei fühlt man sich niemals prätentiös belehrt, sondern bekommt mit einem kräftigen Wink gezeigt, über welche Probleme man in der heutigen Gesellschaft eigentlich sprechen sollte. Denken muss man am Ende natürlich immer noch selbst, aber „Welt ohne Werbung“ liefert den Anstoß dazu. Gerade auch die Gastauftritte leisten hier ihren Beitrag. „Weiter im Programm“ überzeugt musikalisch, textlich und lässt ältere Semester fröhlich an die Zeit mit Simon Schaffrath denken, über „Der neue Hitler“ mit Zingultus (Endstille) kann man sich vortrefflich streiten und „Gedopte Sklaven“ ist musikalisch sicher nur was für ganz eingefleischte Rummelsnuff-Freunde, lässt jedoch interpretatorisch auch einige Lesarten zu. „Welt ohne Werbung“ packt den Hörer am Genick, drückt ihn mit der Nase in das gesellschaftliche Elend und schüttelt ihn durch, bis nach gut einer Stunde auch der letzte Song verklungen ist. Ein Schelm, wer danach nicht nochmal von vorn beginnt. Ein absolutes Muss für JaKa-Fans!

Man kann nur hoffen, dass sich die Jungs bald wieder auflösen, um 2017 mit dem nächsten Brett vor der Tür zu stehen. Kurzum: „Welt ohne Werbung" lädt zum bangen und denken ein. In diesem Sinne, fröhliches banken!

Japanische Kampfhörspiele · Welt ohne Werbung · 2014

Redaktion

verfasst von Winterfreud666
vom 22.04.2014

10 / 10

Playlist

01 - Ihr Verdammten
02 - Die Kriterien eines perfekten Produkts
03 - Weiter im Programm
04 - Chef de Cuisine
05 - Stammzellen
06 - Ramones
07 - Anderen zugucken
08 - Der neue Hitler (feat. Zingultus)
09 - Gedopte Sklaven (feat. Rummelsnuff)
10 - Der traurige Geschmack
11 - Zufriedene Maschinen
12 - Philosophie
13 - Naturschutz sucks
14 - Neuro Enhancement (instrumental)
15 - So viele Menschen
16 - Konditionierungsapparat
17 - Was wenn II
18 - Glaubt dem Mainstream nicht ein Wort
19 - Überflussromantik (instrumental)
20 - Gott der Konformität