Hamburg liegt derzeit voll im Trend. Einer Umfrage zufolge will jeder sechste Deutsche in der Hansestadt wohnen. Ob davon auch jeder unbedingt Todtgelichter hören will? Wohl eher nicht, dafür ist das Sextett noch immer zu stark in der metallischen Schwarzwurzelnische verankert. Aber Marta, Tobias und Co. arbeiten hart daran, dass sich das ändert und auch die kleine Sonja bei Trennungsschmerzen zu Todtgelichter greift.
Von den Damen und Herren gab es ja schon immer eine sehr durchwachsene Version von dem, was man gemeinhin noch als Black Metal bezeichnen kann. "Apnoe" geht hier einen Schritt weiter, bzw. weg davon, denn besagte Spielart findet man nur noch rudimentär auf dem vierten Full-Length der Norddeutschen. Wird einem mit dem Opener "Embers" noch avantgardistisch-depressiver Black Metal kredenzt, schwindet dieser sukzessive, um gegen Ende eigentlich gar nicht mehr aufzutauchen. Zwar beruft man sich immer noch auf gewisse Takt-Schemata, die dieser Richtung zuzuschreiben sind, stimmlich hat man sich aber so gut wie vollends von fiesen Schreien und roher Gewalt verabschiedet.
Die eigentlich als Organistin angestellte Marta hat auf "Apnoe" den Hauptanteil am Gesang bekommen. Sprich, Screams gibt es kaum noch, Clearvocals dafür umso mehr, eigentlich hauptsächlich und das auch immer und überall. Leider kann das auch mal in jammer-jaulige Depri-Rock-Sülzerei ausarten, die in schlimmen Momenten an Lacrimosa und in besseren an Evanescence und Lost in Tears ("Soil", "Lights of Highways") erinnert. Fast möchte man behaupten, dass hier ein Kompromiss zwischen Post-Black Metal und 90er-Jahre Hard Rock/ Nu Metal-Crossover mit aller Gewalt erwirkt wird. Musikalisch bringt man dabei einige gute Arrangements auf den Weg, die mit schönen Riffideen aufwarten, jedoch in letzter Instanz zu häufig verkompliziert und verbaut werden. So haben die ruhigen Passagen zwar durchaus ihren Reiz, doch wartet man meist vergeblich auf den harten Cut, den lauten Knall, der wieder Black Metal-Elemente ins Geschehen bringt und die forcierte Traurigkeit etwas aufbricht. Kurze schwarzmetallische Ansätze, die hoffen lassen, werden sofort im Keim erstickt. Es scheint, als würden Todtgelichter hier zeigen wollen, was sie alles können und nicht mehr wollen. Und da ist auch ab und an etwas dabei, das sich lohnt. Beispielsweise der leichte Jazz Rock-Titel "Until It All Begins", welcher dann aber von "Tiefer Fall" abgelöst wird, der leider irgendwie aus der untersten Schublade von Unheilig gefallen zu sein scheint.
Eine Platte, die sich erstaunlicherweise ganz passend für die Wanne erweist, aber im Auto fast nicht auszuhalten ist. Besonders "Kollision", der mit einem unsäglich nervenden Handy-Vibrieren gespickt ist, drückt einem unweigerlich die Augenlieder nach unten. Bei "Torn" kommt mit leichten Ihsahn-Anleihen nochmal kurz Hoffnung auf, dass etwas mehr geht, als der juvenile Teenager-Absturz, doch auch hier wird alsbald nicht mehr als der "Inception"-Sound verwurstet. Wie Honig an einem Löffel, der langsam und beschwerlich auf die alte, harte Semmel tropft.
Mir persönlich ist die Platte im Gesamten zu schmusig, zu oft gezwungen sentimental, ohne überzeugend zu wirken. Knallharte Todtgelichter-Fans werden aber sicher ihre Gründe finden, wieso auch "Apnoe" unbedingt ins Regal muss. Es kann natürlich sein, dass ich nicht feingeistig genug bin, um die existentiell-philosophischen Ergüsse zu verarbeiten, die einem hier geboten werden. Doch dadurch, dass "Apnoe" nicht gerade die erste Platte in diesem Stil ist (siehe Alcest, Amesoeurs, Lantlôs etc...), stockt einem nun nicht gerade der Atmen, wenn die fast schon kippende Welle nochmal geritten wird. Immer noch gut für alle 16-Jährigen, die abends vollgetränt vorm Spiegel sitzen und weinend eine Packung Karameleis verdrücken, während sie die Worte "your hate will grow now, your hate will flow now" schluchzen, weil ihre große Liebe zerbrochen ist, für die es niemals einen Ersatz geben wird. Traurig. In meinen Hörnotizen ist noch das Wort Bestuhler zu finden, aber das gehört wohl in eine andere Rezension. In diesem Sinne, "You fucking passed the test, but you know what you got? F+, click!"