Viele städtische Nahverkehrsbetriebe stehen derzeit im Streik, was sich ganz wunderbar auf Shrike reimt, nur leider mit diesem Album absolut nichts zu tun hat. Außer, dass städtische Nahverkehrsbetriebe ihr Arbeitskonzept in den meisten Fällen ebenso wenig auf Misanthropie und Satanismus auslegen, wie die vier Berliner. Jedenfalls nicht offiziell. Dass man dennoch hörenswerten Black Metal produzieren (oder im Falle des städtischen Nahverkehrs ein hohes Transportvolumen meistern) kann, beweist man mit dem nunmehr dritten Output namens "Sieben".

Wieso "Sieben"? Weil dies die dritte Platte ist und es Shrike seit acht Jahren gibt. Drei plus Acht macht Elf, was zusammen mit der Summe aller jemals offiziell veröffentlichten Titel (abzüglich etwaiger Hidden-Tracks) Einunddreißig ergibt. Addiert man dies mit den an diesem Album beteiligten Musikern und dividiert diese Summe wiederum durch die Anzahl der Buchstaben des Bandnamens, sind wir auf direktem Wege bei "Sieben". Logisch, oder? Metaphorisch auf die Musik bezogen, heißt das einfach nur: Shrike gehen nicht den einfachen Weg, sondern denken auch mal um die Ecke. Was das Quartett hier bietet, ist im Grundgerüst dem Black Metal zuzuordnen, scheut sich aber nicht vor kurzen Ausflügen in den Death Metal oder auch den Grind. Selbst Djemben ("Shrike") haben Platz im musikalischen Konzept der Hauptstädter, welches sich als äußert frisch und unverkrampft präsentiert. Wo muss, ballern die Herren kalt und aggressiv nach vorn und wo nicht, weiß man auch melodisch differenziert vorzugehen. Wenngleich "Sieben" nicht übermäßig gut produziert ist oder technisch neue Maßstäbe setzt, geht das Album einfach gut ins Ohr und plautzt nicht stumpf an einem vorbei. Shrike sind eben keine gelangweilten Straßenbahnführer, die auf fest montierten Gleisen einen Blastbeat nach dem nächsten ansteuern, sondern fahren auch mal woanders lang, an eine Haltestelle, die man dort nicht erwartet hätte. Sicher könnte man hier und da sein Handwerk noch verfeinern, doch ist mit "Sieben" eine ehrliche und stimmungsvolle Platte entstanden, welche aus inszenatorischen Zwecken gar nicht auf Tod und Teufel zurückgreifen muss. Zwar kann man an einigen Stellen fragen, ob das noch Black Metal ist, doch genau dieser Nonkonformismus macht es gerade erst interessant. Man vermag leichte Punk-Anleihen zu entdecken, ein wenig Grind spüren und fühlt dennoch, dass hier ein homogen umtriebiges Album entstanden ist. Besonders live sollte "Sieben" noch für einige Überraschungen sorgen.

Zugegeben, die Nahverkehrs-Allegorie mag weit hergeholt sein, aber sie trifft den Punkt. Auf "Sieben" geht es nicht plump von A nach B, sondern stets auf interessanten Pfaden in neue Gefilde, ohne krampfhaft progressiv zu sein. Wo unbedingt ein Blastbeat hin sollte, da kommt der auch, doch zeigt man auf gelungene Weise, dass es zwischendurch auch anders gehen kann. "Sieben" ist sicherlich nicht perfekt, doch eine sehr kurzweilige Platte mit Mehrwert. Nicht nur wegen der kurzen Spielzeit. Meine Anspieltipps: "Kadaver" und "Von den Farben der Sehnsucht".

Shrike · Sieben · 2014

Redaktion

verfasst von Winterfreud666
vom 27.03.2014

8 / 10

Playlist

01 - Kreise
02 - Kadaver
03 - Shrike
04 - Die Farben der Sehnsucht
05 - Grimassen