Wenn sich zwei zusammen tun, freut sich meist nicht der Dritte, da die Gefahr auf die Mütze zu bekommen, potentiell steigt. In der Musik ist das etwas anders, denn hier kann sich der Dritte manchmal freuen, wenn Zwei in musikalischer Absicht kollaborieren. Wenn dies zwischen der Ukraine und Frankreich geschieht, nennt der Dritte dies Old Silver Key und bekommt verträumten Post-Rock geboten.

Für jene musikalische Interaktion haben sich Drudkh und der Franzose Stéphane "Neige" Paut zusammen gefunden. Letzterer ist aus der derzeitigen Metal-Szene kaum noch wegzudenken. Viel zu intensiv und zu groß war die Post-Rock/ Post-Black Metal-Welle, die ihn angeschwemmt hat. Geht man ganz nüchtern an die Geschichte heran und beschaut sich die beiden Hintergründe, dürfte man nicht ganz abwegig auch einige Folk/ Black Metal/ Psychedellic-Anleihen erwarten. Allein bei Drudkh liegt ja ein geballtes Vorwissen an düsterem Folk Metal vor, welches sicher nicht so einfach auszuradieren ist; zumal Drudkh ganze Vierfünftel (4/5) von Old Silver Key tragen.

Doch man höre und staune, es ist wie zeitweise beim kochen. Es gibt Zutaten, die sind so intensiv, dass sie auch bei mehreren Litern Sahne noch hervor schmecken. Auch Neige ist ein solches Gewürz, denn Alcest gewinnt auf "Tales of Wanderings" mit Vorsprung! Progressiv-melodiöse Verspieltheit, tragend-ausschweifende Riffs und auf Post-Rock gestimmte Gitarren geben hier den Ton an. Französische Emotionalität in ihrer Reinform. Wenngleich Neige nur seine klare Gesangsstimme beisteuert, die gesamte Instrumentenfraktion folgt gehörig und strickt ihm ein harmonisches Wollkissen, welches mit Indie Rock und einigen watte-weichen Pop Rock-Momenten gefüllt ist. "Tales of Wanderings" erinnert etwas an das, was Placebo machen könnten, wenn sie nicht "viel zu viel Unfug" machen würden und schwankt zwischen kurzen Härteausbrüchen und dezenten Rock-Strukturen. So vermögen sich auch mal die Namen Muse und Foo Fighters abzuzeichnen. Dennoch ist die eine Handschrift wie mit Kristall in den Granit gemeißelt und bestimmt den Klang horrend: Alcest. Obgleich nun mit "Tales of Wanderings" ein weiteres wunderbares Album von Neige vorliegt, ist es in gewisser Weise auch schade, denn unter Umständen hätte Old Silver Key auch etwas ganz anderes werden können; ein neuer Impuls, eine frische Spur am Post-Rock Himmel.

Old Silver Key liefern hier ein grandioses Werk der französischen Schule ab. Man bekommt bewegende, eingängige und tiefgründige Musik, die handwerklich ausgefeilt und musikalisch hoch-qualitativ ist. Doch wird man um den spannenden Moment der Kollaboration zweier musikalischer Richtungen betrogen. "Tales of Wandering" ist Neige, seine Musik, sein Stil, sein Markenzeichen. "Burnt Letters" lässt letztlich keine Trennlinie mehr zwischen "Èccailles de Lune" und der vorliegenden Platte zu. In diesem Sinne: Musik: 8/10! Potential: 4/10! Fazit: 6/10!

Old Silver Key · Tales of Wanderings · 2011

Redaktion

verfasst von Winterfreud666
vom 30.10.2011

6 / 10

Playlist

01 - What Once Was and Will Never Happen Again
02 - November Nights Insomnia
03 - Cold Spring
04 - Nineteen Winters Far Away From Home
05 - Star Catcher
06 - Burnt Letters
07 - About Which an Old House Dreams