Dass Frauen nicht ganz einfach sind, liegt in der Natur der Sache. Dass sich diese Tatsache auch beibehält, wenn zwei dieser Art es sich zur Aufgabe machen Sludge Doom zu spielen, kann man entsprechend erahnen. Die überbordende Komplexität erschließt sich dann aber auch erst auf den zweiten Blick, denn bereits Name und Titel der zwei Kanadierinnen stecken voller Sinngehalt und Referenz. Was die Thrakischen Stuten so bedeutungsschwanger macht und in welchem thematischen Rahmen die Pilgerreise abläuft, ist dabei nicht ganz unwichtig, um diese Platte ohne mentale Verluste hören zu können.

Nicht nur, dass sich Stefani MacKichan und Thérèse Lanz ein anspruchsvolles jüdisch-hebräisches Thema für ihr zweites Full-Length gesucht haben, sie nutzen auch noch eine Musikrichtung, die nicht gerade als die stringenteste im Metal gilt. Klar, wenn man unbeschrieben an die Sache geht und allen Kontext weglässt, kann man sagen, dass mit "The Pilgrimage" ein sehr repetitiver und böser Trip geschaffen wurde, den man in bestimmten Zuständen nur unter Beobachtung konsumieren sollte. Man merkt auch schnell, dass die Songs von Mares of Thrace nicht zu denen gehören, die man den ganzen Tag hören sollte, außer man will sich produktiv in den Wahnsinn stürzen. Das heißt natürlich nicht, dass eine mindere Qualität der Musik zum Irrsinn führt, doch der Grad an psychotischen Anteilen ist auf dieser Platte doch über dem gesundheitlich bedenkenlosen Normwert.
Und genau das ist es, was "The Pilgrimage" zum einen so abstoßend und zum anderen so anziehend macht. Die psychoaktive Girlie-Band haut Riffs raus, die so hartnäckig sind, dass man sie kaum mehr aus dem Kopf bekommt, die einen so lange verfolgen, bis man die Platte wieder einwirft, um die nächste Dosis zu bekommen. Die Riffs und Klänge fressen sich ein und bleiben haften. Wegzukommen fällt hier sehr schwer. Besonders beklemmend ist dabei das eigenartige Gefühl, dieses oder jenes Riff doch schonmal gehört zu haben, doch irgendwie zu kennen, allerdings nie so wirklich zu wissen, an welcher Stelle der Platte das war und wo man überhaupt gerade ist.
Man steckt mitten in der Geschichte, die das Duo einem zu erzählen sinnt. Eben hier ist es wichtig, nicht nur zu wissen, dass Mares of Thrace Musik machen, sondern auch einen Gegenstand haben, den sie damit behandeln. Die biblische Geschichte von Bathseba und König David. Ein thematischer Komplex um Betrug, Intrigen, Mord, Sex und Elend. Auch hier selbstverständlich keine simple Angelegenheit.
An dieser Stelle die Geschichte aufzurollen wäre unpassend, zumal jeder selbst nachlesen kann, worum es genau geht. Wichtig ist indes, dass die Thrakierinnen sich strukturell und thematisch daran orientieren, was sich darin niederschlägt, dass "The Pilgrimage" drei Akte hat, die der Geschichte nachempfunden, den Weg der Annäherung, zur Inbesitznahme, hin zum Ende der Zusammenkunft von Bathseba und König David beschreiben. Alles ausgemalt mit aggressiv-progressivem Sludge, der nicht immer Doom ist und auch mal ins Deathige und Schwarzmetallische abdriften kann. Musikalisch steht das ansehnliche Duo dabei niemandem in irgendeiner Weise nach. Ergreifend und doch erschöpfend. Definitiv keine einfache Sache!

"The Pilgrimage" steckt voller thematischer Verweise, geschichtlicher Komplexität und kultureller Aufarbeitung, die zu hören für jeden Sludge-Fan absolut Pflicht sind! Für wen diese Platte dann eine Pilgerreise ist, muss aber jeder für sich selbst entscheiden. Mares of Thrace haben hier ein Album geschrieben, dass zwar ohne allen Hintergrund gehört werden kann, dann aber nur die Hälfte der verarbeiteten Ideen freigibt und an manchen Stellen wohl auch gar nicht ergiebig ist. Auf jeden Fall ist das, was Stefani und Thérèse hier tun nicht einfach zu schlucken und durchweg verstörend. Aber so kennt man Frauen ja!