Der Winter streckt in voranschreitendem Maße seine frostigen Arme aus und zieht die Erde sukzessive gen der dunklen Jahreszeit. Anlass genug, über den, mit dem Alter immer schneller ablaufenden Jahresrhythmus zu sinnieren und sein Pendant im Leben zu sehen. Selbiges scheinen auch etliche Metalbands zu denken, denn an Werken mit dem Titel "Jahreszeiten" mangelt es in der Tat nicht. Angefangen bei dem 1993er "Four Dark Seasons" von Illdisposed, zu dem 2005er Horna-Versuches mit "Jahreszeiten", den Rhythmus der Welt zu vertonen, bis hin zu dem diesjährigen Nargaroth Werk mit selbigem Titel, welches jedoch zwiegespalten betrachtet wird. Das Thema scheint sich also durchaus größerer Beliebtheit zu erfreuen, wohl auch durch den Ehrgeiz, es Antonio Vivaldi gleich zu tun. Mit ihrem 3. Full-Length "Jahreszeiten", wenden sich auch die 2003 gegründeten, deutschen Viking/Pagan/Folk Metal Musikanten Fjoergyn, was im übrigen aus der isländischen Mythologie entstammt und zu Deutsch schlicht "Mutter Natur" bedeutet, dem anspruchsvollem Thema zu - Ein schwieriges, aber stets interessantes Konzept.

Und genau dieses Konzept kann einem ganz schnell zum Verhängnis werden, wenn man es nicht strikt durchkonstruiert und effektvoll zu gestalten weiß, zumal man nie die landläufige, allgemeingültige Vertonungslinie für die jeweilige Jahreszeit zu finden vermag. Doch Fjoergyn stellen sich da gar nicht so ungeschickt an; das Konzept wird rein Formal gut umgesetzt und man erlebt den Jahresverlauf in neun, ineinander übergreifenden Stücken, die mit viel Energie und musikalischem Aufwand gestaltet wurden. Im Grunde deklarieren sich die Thüringer als Epic Pagan Band, doch öffnen sie sich für dieses Thema sehr stark dem Gothic Metal, mit einigem Hang zum Symphonischen und Pompösen, was durch etliche Syntheziser-Einlagen manifestiert wird. Die Songs werden so mit Streichern, Orgel, und einem digitalen Orchester ausstaffiert und somit den jeweiligen Gefühlswelten angepasst, welche Fjoergyn mit den Jahreszeiten assoziieren.

Doch eben diese Gefühlswelten sind es, welche dieses Album etwas verstörend wirken lassen. Grund dafür ist der stete Wechsel zwischen fröhlich, heiteren Melodien, die alsbald durch klagende, verzweifelte Harmonien ersetzt werden und ebenso schnell wieder in wütenden Double Bass/ Blastbeat-Orgien ersticken. Der Frühling ist hier keinesfalls das reine Glück und der Winter nicht das grund-traurige Elend, wie man vielleicht erwarten könnte. Man erlebt ein Wechselbad der Gefühle, dass dann auch gleich durch drei kontrastreiche Stimmen intoniert wird. Zum einen haben wir eine schöne, kratzige Stimme, die höhere Screams übernimmt und zumeist für die aufwühlenden, klagenden Parts zuständig ist. Dann ist da eine recht helle Gesangsstimme, welche in enormen Gegensatz zu der Vorhergehenden steht und deshalb zum Teil auch etwas deplatziert wirkt, aber für die fröhliche Gefühlswelt dann doch recht passend ist; man muss sich in jeden Fall mit ihr arrangieren, da sie nicht jedermanns Geschmack sein sollte. Daneben findet sich noch eine weitere Gesangsstimme, jedoch in einer recht tiefen Tonlage, die auch mehr sprechend, als singend daher kommt, und die nicht ganz traurigen, aber eben auch nicht bis ins letzte fröhlichen, Parts übernimmt. Alles in Allem ein enorm facettenreiches Stimmenspektrum, was für ein Konzept dieser Art, doch nicht die schlechteste Wahl scheint.

Indes die Scheibe durch die Letzteren vorrangig im Gothic Metal angesiedelt scheint, viel mehr als im Viking Metal, ist sie jedoch in der Tat schwierig zu kategorisieren; sagen wir: stark Gothic-affiner Black/Pagan Metal mit einem hohen Grade an Sentimentalität und musikalisch, epochaler Umsetzung. Teils wirken die Titel schon beinahe doomig, aber ohne jeden Zweifel symphonisch und majestätisch. Textlich haben sich die Jungens ordentlich ins Zeug gelegt und neun wirklich durchdachte und lyrisch ansprechende Texte kreiert, welche für das allgemeine Verständnis von höchster Bedeutung sind. "Jera" funktioniert als Beispiel gar nur durch das darin befindliche Gedicht und fungiert quasi als Bindeglied zwischen Herbst und Winter, übermittelt diese Funktion jedoch nur durch seine textuelle Gestaltung.

Man kann also definitiv sagen, Fjoergyn schaffen es, das Jahreszeiten-Konzept eindrucksvoll und erfolgreich umzusetzen, mussten hierfür jedoch die gewohnten Gebiete hinter sich lassen und um andere musikalische Territorien erweitern.

Wie schon oben genannt sind die Jahreszeiten durchaus angemessen über die neun Titel verteilt und obgleich der Monatsanzahl drei unterschlagen wurden, muss sich keine Jahreszeit vernachlässigt fühlen und kommt zufriedenstellend zur Geltung. Man versucht sich deutlich an Vivaldi anzulehnen und markiert dies durch einige orchestrale Verbeugungen vor eben jenem.

Ein Fazit ist nicht allzu leicht zu erzielen, denn "Jahreszeiten" ist derart aufwühlend, berührend und teils verstörend in seiner Gefühlsvermittlung, dass man nicht zu jeder Zeit weiß, ob man die Konzeptumsetzung gerade mag oder eben nicht. Doch musikalisch kann man den Deutschen keinesfalls Abstriche machen. Wem eine massive Neigung hin zum Gothic Metal/ Dark Metal nicht zuwider geht und anspruchsvolle Texte mit hoch-konzipierter, musikalischer Umsetzung genießen kann, dem sei diese Platte wärmstens ans Herz gelegt. In diesem Sinne, vergesst nie die klassischen Wurzeln der Musik, wie auch im Leben scheint doch alles zyklisch zu verlaufen.

Fjoergyn · Jahreszeiten · 2009

Redaktion

verfasst von Winterfreud666
vom 04.11.2009

8 / 10

Playlist

01 - Auf bald
02 - Oh verklärte Welt
03 - Sturmzeit
04 - Der Himmel fällt
05 - Am Ende der Welt
06 - Herbst ist da
07 - Wie Jahr um Jahr
08 - Jera
09 - Ich bin der Frost