FREITAG

Es ist Donnerstag der 3. Juli 2008 und es sind nur noch wenige Stunden, bis offiziell das nunmehr fünfzehnte With Full Force Festival beginnt. Und was muss ich da erblicken? Blitz, Donner, Regen und Matsch und ich stelle mich schon darauf ein, vorwiegend meinen Regenponcho zu tragen und die Schuhe nach diesem Wochenende dem Müllsack zukommen zu lassen. Doch nach einer ersten Nacht im Zelt wurde ich positiv überrascht. Das Festival beginnt und der Herr des Wetters hat ein Einsehen mit uns, das Festivalwochenende sollte gut losgehen.

Den Anfang des Tages bilden Misery Speaks auf der Hauptbühne und etwas später, jedoch im Zelt, War From a Harlots Mouth. Da mich beide Bands nicht sonderlich zum Zuhören bewegen und ich meinen Tag mit japanischen Kampfhörspielen beginnen will, durchstreife ich zuerst die vielen, fast endlosen Merchandise-Stände, Musikbörsen und Fressstände. Nach einigen Stunden sollen nun endlich Japanische Kampfhörspiele auf der Zeltbühne ihre Show starten und langsam aber sicher fühle ich mich auch fähig, gute, schnelle, genickverschleißende Musik zu genießen.

„Wir sind Japanische Kampfhörspiele und zieh´n die Jacke falschrum an“ schreit der Sänger und der erste Song ist somit auch direkt angekündigt. Die Stimmung ist gut, die Haare fliegen und die Krefelder Grindmusikanten ziehen ihr Ding bis zum Schluss ordentlich durch. Gespickt mit unterhaltsamen Zwischenkommentaren, spielen sie Klassiker wie „Verbrennt euer Geld“ und ihre neuen Hits. Alles in Allem ein sehr guter Start in den Tag, mein Hals ist für den weiteren Metaltag gerüstet und auf geht es zu den Apokalyptischen Reitern.

Mit genügend Zeit im Rücken, bewegt man sich nun langsam zur Hauptbühne wo kurz nach Sechs endlich Die Apokalyptischen Reiter ihr Können unter Beweis stellen sollten. Von den anfänglichen Schwächen im Gitarrensound abgesehen, überzeugten die Weimarer vollends durch ihre ausgesprochen guten Live-Qualitäten. Auch die neue Gitarristin lässt sich nicht lumpen und so wird einem ein absolut mitreißender Auftritt geboten. Es wird vornehmlich auf neue Kompositionen gebaut und sogar einige taufrische Songs werden rausknallt. Als kleines Extra wurden die ersten Reihen durch eine Schaumkanone in Verzückung gebracht, was der Gesamtstimmung definitiv zusätzlich zugute kam. Nach einer sehr kurzweiligen dreiviertel Stunde war der ganze Spaß leider auch schon vorbei und mein nächstes Ziel sollte, rein Interesse halber, Born From Painwerden.

Obwohl die Niederländer nicht ganz meinen Musikgeschmack treffen, muss ich doch zugeben, dass sie ordentlich Stimmung machten. Es hatten sich dann auch mehr als genug HC- Fans eingefunden, welche sich zu lustigen Tanzkreisen zusammen schlossen und ihre üblichen Mosh-Tricks auspackten. Wie schon gesagt, es ist an sich nicht meine Musik, daher kann ich über diverse Songs nichts sagen, aber muss Born From Paindoch gutes Live-Können zusprechen.

Nach meinem kurzen Exkurs zu der Zeltbühne ging es nun zu Agnostic Front um sich einmal die Wegbereiter der New York Hardcore Szene zu Gemüte zu führen. Vor der Bühne versammelten sich geschätzte 20.000 Mann und die amerikanischen Urgesteine dankten es mit ordentlichen Moshparts und einem doch etwas zum Tanzen anregendem „Auf-die-Fresse“-Sound. Die Circlepits schienen nicht abreißen zu wollen und das Highlight der HC-Tanzakrobatik bildete die „Wall-Of-Death“, aus welcher ich mich glücklicher Weise raushalten konnte. Nach einer knappen Stunde war dann auch schon alles vorbei, die Fans erschöpft und mein Tageshighlight rückte nun immer näher. Die Knüppelnacht.

Ich beschloss, die verbleibenden drei Stunden auf dem Festivalgelände umher zu streunen und mich an den Speisen und Getränken zu laben, um dann wohlgenährt und gestärkt Rotting Christ, Mayhem und vor allem Belphegor entgegentreten zu können. Die Uhr schlägt zwölf, ich steh im Zelt und um mich herum versammeln sich die dunklen Gestalten des Festivals. Langhaarige, bärtige Männer in schwarzen Kutten, zerschlissenen Metalshirts und Trinkhörnern an den Seiten. Oh Ja, es ist endlich Zeit für guten Black Metal.

Den Anfang machten Rotting Christ aus Griechenland. Die vier Mannen lieferten einen soliden Auftritt ab, nichts Weltbewegendes aber ein guter Start in die Nacht. Die Besucher würdigten es auch mit ordentlichem Headbangen. Doch die wahren Headliner des Abends sollten ja noch kommen.

Nach einer kurzen Pause außerhalb der Zeltwelt, gab es dann eine Portion Mayhem garniert mit einigen Überraschungen. Auch wenn man bei den Norwegern schon fast damit rechnen sollte, verzierte das Erscheinungsbild des Frontmannes Attila mein Gesicht mit einem Grinsen. Ein Anzug mit weißem Jacket, glatt gegeelte Harre und eine modische Sonnenbrille bildeten das passende Bühnenoutfit für diesen Tag. Der Auftritt war qualitativ hochwertig und Hellhammers Schlagzeugkünste wie immer ein Genuss. Und wer Mayhemkennt, wird sich über solche Auftritte auch kaum wundern.

Die darauf folgenden, Krisiun, waren mir bis dato gänzlich unbekannt, wussten aber definitiv zu gefallen. Ein gutes, ordentlich brutal gespieltes Death Metal Set wurde einem da geboten, zu welchem, wenn nicht noch Belphegor gewartet hätten, ich meinem Genick den Rest gegeben hätte. Doch zumindest weckte es Interesse sich tiefer gehend mit den Brasilianern zu beschäftigen.

03.40 Uhr war es dann tatsächlich soweit, meine Haare waren geöffnet, der Hals psychisch auf Schmerz vorbereitet und Belphegor betraten die schwarzmetallische Bühne. Die österreichische Hassmaschine feuerte ihr Salven zu Beginn mit „Bondage Goat Zombie“ in die Haare schüttelnde Menge vor der Bühne. Unpassend zu den misanthropischen Klängen, erheiterte Helmuths dialektische Aussprache und verpasste dem, nach meiner Ansicht, genialen Auftritt noch die letzte Krone. Beglückt durch den „Supreme Death Black Metal“, den Belphegor an diesem Abend ablieferten, begab ich mich vollends meiner Kräfte beraubt in Richtung Zelt. Die Sonne ging langsam auf und ich ging zu Bett, ein neuer Tag voll mit Metal erwartete mich.

SAMSTAG

Nach gefühlten zwei Stunden Schlaf und einer eher dürftigen Morgendusche, begann der neue Tag. Gegen 13.00 Uhr machte ich mich dann auf den Weg in Richtung der Zeltbühne, um zum Einstieg Fall of Serenity zu sehen.

Die aus Thüringen stammenden Jungens machten eine durchaus gute Figur und lieferten eine gesunde Mischung aus Death Metal und Metalcore, welche mich so langsam wieder auf Touren brachte. Zusätzlich zum guten Sound und einer ordentlichen Setlist mit kleiner Überraschung am Ende, begeisterte ein als Hühnchen verkleideter Groupie die moshende Menge. Den letzten Song bildete dann, mit „Raining Blood“ von Slayer, ein gut umgesetztes Standardcover.

Jetzt ging es endlich zur Hauptbühne, wo mich drei Bands in Folge erwarteten, auf deren Auftritte ich mich schon beim zu Bett gehen freute. Die Sprache ist von Illdisposed,Job For a Cowboy und Entombed.

Den Anfang machten hier Illdisposed aus Dänemark, mit Bo Summer, einem meiner Lieblings-Schreihälse. Begleitet von den stets amüsanten Zwischenkommentaren des Frontmannes, hämmerten die fünf Dänen einen Knaller nach dem Anderen, wie „Like Cancer“ oder „A Child is Missing“, in die tobende Menge. Die perfekt gespielten Riffs und Double Bass Einlagen, begeisterten und luden zum kopfberstenden Headbangen ein. Dies musste man der äußerst munteren Menge auch nicht zweimal sagen und so kreierten die Nordmänner eine ausgelassene Stimmung mit höchstem Death Metal Genuss. Zur Trauer der Fans war das ganze Vergnügen nach knapp vierzig Minuten auch leider schon vorbei, aber Job For a Cowboy standen schon in den Startlöchern.

Bisher war es mir noch nicht vergönnt die relativ neue Death Metal / Metalcore Erscheinung live zu sehen und gerade deshalb war ich gespannt, ob die Amerikaner ihre Musik live umzusetzen wissen. Und ich wurde positiv überrascht. Auch wenn vornehmlich auf „Genesis“ gesetzt wurde, begeisterten die Cowboys durch technisch ausgezeichnetes Spielen und ihre unwahrscheinliche Dynamik und Wucht, die sie an den Tag legten. Auch die Menge gab durch kräftiges Köpfe schütteln und vereinzelte Moshpits, eine positive Resonanz ab. Es war ein guter, lohnender Auftritt, den ich nicht missen will.

Den dritten im Bunde bildeten nun Entombed, welche mit frenetischem Beifall empfangen wurden. Eine Band, die den schwedischen Death Metal derart geprägt hat, vermag es vielleicht auch nicht anders zu verdienen. Gespielt wurde dann leider nicht mit voller Besetzung, was dem Sound der Entombed- Klassiker leider etwas schwächte, aber Stimmung machten die Death-Väter allemal. Nach einer Weile wurde es auch zusehends voller in den vorderen Reihen und der Platz für effektives Headbangen immer rarer. Die Spielzeit betrug fünf-und-vierzig Minuten und ich meine, das war Frontmann LG Petrov auch genug. Die Herren werden eben auch nicht jünger, doch musikalisch macht ihnen so schnell keiner was vor.

Nach diesem „Death-Metal-Terror-Trio“ ergab sich eine kurze Verschnaufpause, welche für Bier, Essen und Gespräche genutzt wurde, bis es 18.45Uhr mit Heaven Shall Burn weiterging.

Heaven Shall Burn präsentierten sich in Höchstform und wussten die Unmenge an Zuhörern anzutreiben. Nach dem „Inconoclast“-Intro ballerten die fleisch- und alkoholfreien Thüringer ihr Set durch die Gegend, bewiesen ihre Metalcore- und Deathmetal-Künste und brachten auch den stursten Metalhead in Bewegung. Die Setlist reichte von „Endzeit“ über „The Weapons They Fear“ bis „Behind a Wall of Silence“ und veranlasste zu einer „Wall of Death“, welche nach eigener Meinung etwas aus den Fugen geriet. Musikalisch war der Auftritt ausgesprochen gelungen, doch wer nichts mit moshen und Karate-Moves anfangen kann, war im Bühnenbereich doch großer Gefahren ausgesetzt. Vielleicht das nächste Mal über Mikro ankündigen, dass man sich nicht mutwillig verletzen muss.

Nach dieser knappen Kung-Fu-Soundtrack Stunde, bot sich mir wieder einige Zeit, bis die nächste sehenswerte Band die Bühne betrat. Auch wenn ich kein großer In Flames Fan bin und mir die Schweden selten auf Platte anhöre, war ich gespannt, ob sich die vielen Gerüchte über die großartige Bühnenpräsenz der Melodic/Death Musikanten bestätigen würde. Mit gutem Vorgefühl und gefülltem Bauch, sowie Bier getränktem Kopf ging ich gegen viertel Elf in Richtung Hauptbühne, um noch einen guten Platz an der Front zu erwischen.

Nach etwas längerer Umbauphase starteten die brennenden Schweden ihren Eroberungsmarsch und prügelten ihren melodischen Death Metal über die Bühne. Gespickt mit einer, doch etwas beeindruckenden Lichtshow und einem etwas homosexuellen Glitterregen legten sich die Schweden ordentlich ins Zeug und wurden, wie war es anders zu erwarten, mit Jubelrufen und fliegenden Köpfen belohnt. Das Ende wurde mit einem furiosen Feuerwerk garniert, welches sich weit über Konzertende noch seinen Weg in den wunderschönen Nachthimmel brannte. Ich gebe zu, es war ein guter Auftritt und In Flames können definitiv live spielen. Es war ein durchaus würdiger Abschluss für die Hauptbühne an diesem Samstag und auch für mich. Die Bands auf der Zeltbühne, im weiteren Verlauf des Abends, waren alle nicht so mein Ding. Deshalb ging es zum Bierstand, um noch das ein oder andere alkoholische Getränk zu mir zu nehmen und auf den nächsten und leider letzten Tag anzustoßen.

SONNTAG

Nach einem ausgelassenen Abend startete ich den Sonntag mit etwas musikalischer Komik. Da Bodo Wartke an diesem Tag leider nicht verfügbar war, hatten sie Mambo Kurt als Einstimmung in den letzten Festivaltag organisiert.

Trotz der frühen Morgenstunde waren halb Zwei doch Einige, auf Unterhaltung wartende Menschen vor der Hauptbühne eingetroffen um Mambo Kurtzu hören. Es bot sich mir ein Heimorgel Spektakel der Superlative. Ein Hit wurde durch den Nächsten gejagt und man bekam „Smells Like a Teen Spirit“ genauso authentisch geboten, wie „The Final Countdown“ und andere musikalische Meilensteine. Ob man das nun gut findet oder nicht, ist reine Geschmackssache. Es war lustig und hatte auch keinen weiteren Anspruch.

Die nächste Band auf meinem Plan war Volbeat aus Dänemark. Die nordischen Massentouristen lieferten eine sehr gute Show ab, verbreiteten gute Laune und ließen einen die Festivalstimmung genießen. Einzig die Bekanntgabe über den Tod des Frontmann-Vaters trübte die Stimmung kurz, wurde jedoch durch respektvolles Klatschen relativ schnell abgehandelt. Das weitere Konzert verlief angenehm und die rockigen Dänen bewiesen ihre musikalischen Qualitäten. Guter Rock, gute Stimmung, guter Frontmann. Alles gut, was soll man da noch sagen.

Da Mambo Kurt noch nicht genug Spaß gemacht hat, gab ich mir dann noch J.B.O.auf der Hauptbühne. Ich kann mir nicht helfen, aber die pinken Franken haben mich früher etwas mehr mitgerissen. Es wurden die altbekannten Klassiker geboten und vermeintlich witzige Coversongs, wie Schoten über die Bühne gedroschen. Viele gingen vor der Bühne ab, viele orientierten sich aber auch in Richtung Zeltbühne. Es war in Ordnung, aber eben nicht Jedermanns Geschmack. Der Tag ist ja noch lang und einige sehenswerte Musikgruppen noch in Aussicht.

Das erste wirkliche Highlight des Tages sollte die Cavalera Conspiracy werden. Ein musikalischer Zusammenschluss aus Max und Iggor Cavalera und teilweise unterstützt durch weitere Familienmitglieder des alten Dreadlock-Metalers. Es war großartig zu hören, dass es noch möglich ist eine Band zu finden, welche die alten Sepultura-Klassiker so authentisch in die Nacht brüllen kann. Pure Entzückung durchfuhr die Menge bei Songs wie „Refuse/Resist“,“Arise“ oder „Biotech is Godzilla“, dass man glaubte Sepultura in ihrer Höchstform zu erleben. Der Auftritt war mal wieder viel zu schnell vorbei und man hätte gern noch länger Cavaleras Stimme gelauscht, doch da warteten ja noch Primordial auf der Zeltbühne.

Der Abend sollte nun mit „The Last Supper“ im Zelt sein Ende finden und in den letzten drei Stunden mit Primordial,Moonspell,Ensiferum und Subway To Sally noch vier interessante Bands parat halten. Den Anfang von Primordial haben die meisten von der Hauptbühne Kommenden verpasst, da sich das Ende mit dem Anfang von Primordial überschnitt. Der Stimmung tat das aber keinen Abbruch.

Primordial zeigten sich von ihrer besten Seite und heizten dem anscheinend schlafresistenten Publikum nochmal ordentlich ein. Aber mein Ding war es dann doch nicht so ganz und ich quälte mich noch bis zu Moonsorrow. Die Finnen fanden zwar Anklang bei mir und bekamen auch durchweg positive Resonanz im Publikum, doch war ich bis dahin derart ermüdet, dass mir ein längeres Stehen nicht ertragbar schien. Mit ordentlich Bier im Blut und doch leichten Kopfschmerzen bewegte ich mich nun langsam zu meinem Zelt um im Schlafe die vielen, schönen Impressionen des XV. With Full Force Festivals zu verarbeiten.

Es war ein glorreiches Wochenende mit vielen guten Bands und nur wenig Kritik. Das nächste Jahr kommt und wir sehen uns beim With Full Force XVI.