In jeder Plattensammlung finden sich die ruhigeren Platten, die bevorzugt an einem regnerischen Sonntag Nachmittag herausgekramt werden, um gedankenversunken die prasselnden Tropfen zu beobachten. Meine favorisierte Platte für diese Momente war in letzter Zeit die „Folk Aesthetics“ von Tenhi. Leider lag der letzte Auftritt der Finnen auf einer für mich erreichbaren Bühne schon vier Jahre zurück. Auch wenn sie bei jeder ihrer Touren Leipzig besucht haben, begrub ich doch jede Hoffnung auf ein baldiges Live-Erlebnis.
Tenhi taten mir jedoch schneller als gedacht nicht nur den Gefallen, in meiner Heimatstadt aufzutreten, sondern auch noch an einem Sonntag im Herbst. Anscheinend hatten sie diesen Gefallen nicht nur mir erfüllt, denn die „Tonne“ der Moritzbastei war so voll, wie ich sie selten erlebt habe.

Neun Welten
Neun Welten

Das dürfte sicher auch Neun Welten gefreut haben, die am heutigen Abend den, soviel sei vorweggenommen, bärenstarken Support geben durften. Musikalisch waren sie Tenhi recht ähnlich, dennoch deutlich 'rockiger' wenn man so will. Das neue Material und die Songs von ihrem Album „Verlorene Pfade“ wurden vor Landschaftsprojektion präsentiert, so dass man sehr schnell in ein nachdenkliches Audio-Visuelles Gebilde gesogen wurde, das seine Kraft sowohl aus der Mystik der Musik, als auch der Mystik der Natur bezog. Zurecht wurden „Neun Welten“ dafür frenetisch gefeiert.

Tenhi
Tenhi

Nach kurzer Umbaupause ließen Tenhi das aufgewärmte Publikum dann so richtig dahinschmelzen. Drei Gitarren, ein Bass und eine Geige genügten zur musikalischen Perfektion und ließen das sonst häufig verwendete Klavier zu keinem Zeitpunkt vermissen. Die Augen wurden nun nicht mehr von fantastischen Naturbildern unterhalten, sondern von den Zeichnungen des Tenhi-Frontmannes Tyko Saarikko, der unter anderem auch die Sammlung „Folk Aesthetics“ graphisch gestaltete. Ideale Vorrausetzungen also um in melancholische Hochstimmung zu kommen. Frei nach der Tenhi'schen Arbeitsbasis: „We have a big heart for melancholia — sadness is beautiful“.
Und so wurde man von den Melancholiker behutsam bei der Hand genommen und auf einen Streifzug durch die vernebelte finnische Seenlandschaft und die eigene Seele genommen. Wunderbar zum Augenschließen und Wegträumen. Selten verging eine Stunde Musik so schnell wie an diesem Abend. Von den Gesichtern der anderen Besucher zu urteilen, dürfte ich an diesem Abend nicht der einzige gewesen sein, der mit einem Lächeln auf den Lippen und Schwermut im Herzen die Moritzbastei verließ und durch den beginnenden Herbst nach Hause schlenderte.