Mit "Traum und Trauma" haben die erzgebirgischen Black Metaller Temple of Oblivion ihr vorläufiges Opus Magnum geschaffen und die Metalwelt hat es wohlgesonnen konsumiert. Wir haben uns mal mit Frontmann und Gitarrist Henker sowie Texter und Sänger Khenaz unterhalten, was hinter der Weltkriegsplatte steckt.



Zu Beginn erst einmal herzlichen Glückwunsch zur neuen Platte, die jetzt bereits seit einiger Zeit draußen ist und gute Kritiken bekommen hat.

Henker: Danke, danke! Ja, die scheint recht gut anzukommen, wenn man die Reviews so liest. Mal abwarten, wie sich das entwickelt.


Meines Wissens ist "Traum und Trauma" das erste Konzeptalbum von Temple of Oblivion. Unterscheidet sich die Arbeitsweise hierbei im Vergleich zu normalen Alben?

Khenaz: Auch das erste Album "Morituri Te Salutant” liegt, auch wenn nicht so offensichtlich wie “Traum und Trauma” einem konzeptionellen Hintergrund zugrunde. Bei der neuen Scheibe wurde das Konzept allerdings mit allem Drum und Dran von Texten, Samples, Musik, Hintergrundgeschichte bis hin zum Layout komplett durchgezogen. Die Art des Songwritings unterscheidet sich höchstens darin, dass man von vornherein gezielter arbeiteten kann, wenn man weiß, in welche Richtung es gehen soll.

Henker: Ja, diese Arbeitsweise soll für die kommenden Alben so beibehalten werden.


Ihr beschäftigt euch auf "Traum und "Trauma" mit den zwei Weltkriegen aus der Perspektive eines böhmischen Soldaten. Wieso gerade Böhmen, wieso gerade die Weltkriege? Erzählt bitte kurz etwas zum thematischen Kern des Albums.

Khenaz: Es war mir von Anfang an ein Anliegen, auch die böhmische Seite des Erzgebirges einzuschließen. Letzten Endes ist es ja auch um das historische Erbe der Deutschen in Böhmen und anderen Teilen Ost- oder Südosteuropas heutzutage schlecht bestellt. Sudetendeutsche oder Schlesier beispielsweise werden nur noch mit den 1930er und 1940er Jahren und dem damit verbundenen Elend in Verbindung gebracht und die Kultur und Traditionen verblassen so langsam. Wir wollten das alles aufgreifen und versuchten die erste Hälfte des 20. Jahrhundert bestmöglich zu skizzieren, beginnend von der Eintracht Österreich-Ungarns über den Schrecken des Ersten Weltkriegs, über die Erste Tschechoslowakei bis hin zu eben genannten dunkleren Kapitel der Geschichte.


Ihr seid zudem dem Erzgebirge stark verbunden, was sich auch in euren Texten manifestiert. Eine Affinität, die sicher auf euren Texter und Sänger Khenaz zurückgeht. Wie hat sich dieses Interesse entwickelt?

Khenaz: In den letzten Jahrhunderten wirkten in der Region viele inspirierende Persönlichkeiten wie Anton Günther, Karl Stülpner oder Karl May. Darüber hinaus warten viele spannende Orte mit unzähligen Sagengeschichten darauf, entdeckt zu werden. Ein gewisses Interesse für Regionalgeschichte oder Heimatkultur gedeiht daher hier (und eigentlich auch an vielen anderen Flecken) recht schnell.


Schaut man sich das Booklet der aktuellen Platte an, findet man eine Menge von Texten, welche aber nicht die Lyrics des Albums darstellen. Welche Idee verbirgt sich dahinter?

Henker: Um den Hörer noch mehr über die Geschichte hinter dem Album erzählen zu können, haben wir diese Memoiren dem Booklet beigefügt. Es soll dabei helfen, einen schnelleren und intensiveren Einblick in die gesamte Thematik zu bekommen. Einfach den Text abzudrucken schien mir da zu billig.


Foto:Band

Basiert das Leben des namenlosen Helden auf realen Personen oder ist dies ein rein fiktiver Charakter?

Khenaz: Vorab würde ich ihn nicht als „Held“ bezeichnen. Er soll ganz bewusst das Leben eines durchschnittlichen Menschen aus jenen Zeiten widerspiegeln. Es handelt sich um eine fiktive Figur, aber wo er herkommt und was mit ihm passiert, geschieht nicht unbedingt rein zufällig. Ich habe mich mit einigen Biographien und selbstverständlich auch tiefergehend mit der regionalen Geschichte beschäftigt und konnte so auch nachvollziehen, welche Sorgen die Menschen hatten oder wo welche Soldaten zum Einsatz kamen. Auch Erzählungen aus der eigenen Familie haben mich stark beeinflusst.


Was hat euch motiviert, das Thema anhand einer Biographie aufzuarbeiten?

Khenaz: Hätten wir es nicht getan, dann wäre „Traum und Trauma“ wohl nur eine historische Dokumentation geworden, wie sie auch Guido Knopp hätte verfassen können. Nein, im Ernst… es ging darum, Geschichte nicht von oben herab, sondern vom Menschen selbst heraus zu erleben. Die Weltpolitik und die realen Probleme der einzelnen Menschen stimmen oft nicht überein und die Perspektive der Menschen finde ich persönlich spannender, da man den Rest für gewöhnlich kennt oder bei Wikipedia nachschlagen kann.


Die Songs hangeln sich chronologisch an realen Schlachten entlang, wobei der Fokus besonders auf denen in den baltischen Gebieten liegt. Wie gestaltete sich die Aufarbeitung der historischen Fakten?

Khenaz: Im Baltikum nicht… wir haben die Isonzoschlachten (Alpenraum) im Ersten Weltkrieg und die Neretva/Sutjeska-Schlachten (Balkan) aus dem Zweiten Weltkrieg. Wie ich schon ausgeführt habe, befasse ich mich näher mit Biographien. Aber zur Abrundung schau ich selbstverständlich auch in entsprechende Bücher, Dokumentationen und Filme oder lass mir von Zeitzeugen berichten.


Zwischen den einzelnen Songs sind häufig stimmungsvolle Intermezzi mit historischen Zitaten zu hören. Wo findet man solche Einspieler und wonach habt ihr diese Zitate ausgewählt?

Khenaz: Hier und da sollen sie helfen, die Problematiken in ihrer Komplexität mit privaten oder politischen Stimmungen zu unterstreichen und zu versinnbildlichen.

Henker: Genau, und solche Samples zu finden ist heutzutage auch kein Problem mehr.


Gleich der zweite Song "Zisleithania" wirft sicher für viele Hörer Fragen auf. Was hat es mit dem Gebiet Zisleithanien auf sich und weshalb wird es so prominent zu Beginn der Platte eingeführt?

Khenaz: Es ist im Prinzip eine Ode an die Donaumonarchie, an ihre Kultur, ihre Eintracht und ihre vielfältige Natur. Da der geographische Fokus der Scheibe im Norden und Westen (dem österreichischen Machtbereich) liegt und „Habsburger Monarchie“ bzw. „Österreich-Ungarn“ recht nüchterne und fade Liedtitel wären, haben wir das Stück „Zisleithania“ genannt.


Schaut man sich die Musik an, muss man feststellen, dass ihr deutlich epischer geworden seid. Große Chöre, Orchester und wuchtige Riffs intonieren die Texte über Krieg, Leid und Elend. Was waren eure Einflüsse beim Songwriting und worauf achtet ihr, wenn ihr einen Song baut?

Henker: Nichts... es kommt einfach so aus mir raus. Es gibt da weder Muster, Vorlagen oder anderes.


Foto: Temple of Oblivion

Die Arrangements auf "Traum und Trauma" sind sehr umfangreich - wie gestaltet sich das auf der Bühne. Könnt ihr alles umsetzen, was auf der Platte zu hören ist?

Henker: Ja, außer Synthesizer, Chöre und Pauken. Diese werden eingespielt da sonst eine ganze Mannschaft an Keyboardern noch mit auf die Bühne müsste.


Einer eurer früheren Gitarristen, Hejkal, ist noch vor Release des Albums ausgestiegen. Könnt ihr was über die Grunde dafür sagen und welchen Einfluss er noch auf das Songwriting hatte?

Henker: Nein, das bleibt intern und beim Songwriting hatte er sich eh nicht mit beteiligt.


Wenn einer geht, kommen zwei dazu könnte man sagen. Bass und Gitarre sind seit Kurzem neu besetzt. Um wen handelt es sich dabei und wie seid ihr zu dem Neuzugang gekommen?

Henker: Kennengelernt, gefragt ob sie Bock haben und nun läuft’s. War ein Glücksgriff und ich freue mich, die beiden dabei zu haben.


Zurück zum Album - Wer zeichnete sich für das Artwork verantwortlich und worauf kam es euch dabei an?

Henker: Das Cover zeichnete ein Künstler aus dem Raum München für uns und das restliche Artwork wurde von der Band selber gestaltet. Es war mir wichtig, mit Hilfe der Bilder und der Tagebuchtexte den Hörer noch mehr in die Welt von „Traum und Trauma“ entführen zu können.


Ihr habt die Aufnahmen sowie Mix und Mastering komplett in Eigenregie durchgeführt. Wo fand das statt und wie viel Zeit hat dieser Prozess ungefähr in Anspruch genommen?

Henker: Das komplette Album ist im Proberaum entstanden. Eine Zeitaufstellung ist schwierig, da Lieder schreiben und Album aufnehmen ein nahezu gleichzeitiger Prozess waren. Das Schema wie man es kennt mit Lieder schreiben und dann ab ins Studio fand hier nicht statt.


Den richtigen Sound für ein Album zu finden ist gar nicht zu einfach. Woran habt ihr euch orientiert bzw. was waren eure Referenzen?

Henker: An irgendwas orientiert gar nicht, es wurde so lange experimentiert, bis ich einigermaßen zufrieden war und der für das Album passende Sound gefunden war. Eine Vorstellung, dass es klingen muss wie das und jenes andere Album war nicht der Fall…


Foto:Stefan Schumann

Ist man bei so einer Arbeit jemals zufrieden oder muss man ab einem gewissen Punkt einfach einen Schlussstrich ziehen?

Henker: Haha, das ist mein Makel, ohne den gesetzten Schlussstrich würde ich wohl immer noch mein erstes Album abmischen…


Henker, du spielst neben Temple of Oblivion noch bei Eminenz, Blodskut und Hatul - wie bekommt man das alles unter einen Hut ohne Abstriche machen zu müssen?

Henker: Keine Ahnung, was da dran so schwer sein soll. Man braucht ein gutes Zeitmanagement und so unglaublich finde ich den Zeitaufwand für meine Bands wirklich nicht, das war früher noch viel viel schlimmer. Ich genieße durchaus auch ein Privatleben.


Vielen Dank für das Interview. Die letzten Worte gebühren euch.

Khenaz: Vielen Dank für das Review, für das Interview und für die Unterstützung sowie einen Gruß an unsere Anhänger!

Henker: Das gleiche, bis bald!