Nuclear Blast, Century Media oder Napalm Records - Jeder kennt die dicken Fische im metallischen Musikbusiness und viele ärgern sich über die zyklischen Modewellen die von diesen Majorlabels immer wieder ausgehen. Die Lösung gegen Djent, Deathcore und Alestorm? Indielabels! Kleine Vertriebsstrukturen, persönliche Kontakte und ein familiäres Umfeld, in dem die Musik mehr zählt als hohe Absatzzahlen und Trends. Anlässlich des 5-jährigen Bestehens von Naturmacht Productions haben wir uns das Label einmal genauer angeschaut und einige Worte mit Chef und Gründer Robert Brockmann gewechselt.




Hallo Robert, vielen Dank für deine Zeit. Wie geht es dir?

Hallo Tobias, ich danke dir für die Gelegenheit und das Interesse! Mir geht es soweit sehr gut. Ich war zwar krank die letzten Tage, aber das ist fast vorüber.


Du betreibst ein kleines Label namens Naturmacht Productions. Seit wann gibt es das und worauf konzentrierst du dich musikalisch?

Naturmacht Productions gibt es jetzt seit genau 5 Jahren und das Jubiläum wird mit ein paar feinen Sachen gefeiert. Ich rief es am 5.5.2009 ins Leben, da ich der Meinung war, dass es zu wenige Underground- bzw. überhaupt Musiklabels im Metalbereich gab, die den idealistischen Vorstellung der Szene bzw. einiger Musiker gerecht wurden. Darunter verstehe ich Ehrlichkeit, Fairness, Professionalität und ein freundschaftliches Miteinander. Geldverdienen spielte und spielt bis heute eine eher untergeordnete Rolle, auch wenn ich natürlich kein Minus machen möchte. NP ist also ein idealistischer Gegenentwurf zur Masse der Labels. Wenngleich wir selber manchmal etwas vom Idealismus abrücken müssen, um die Sache am Laufen zu halten.

In den ersten drei Jahren habe ich noch ziemlich verschiedene Sachen veröffentlicht. Ambient, Neofolk, Black und Doom Metal. Leider haben dann verschiedene Entwicklung in der Musikbranche und auch in der Szene dazu geführt, dass ich mich auf Black- und Doom Metal konzentrieren musste. Ein Grund dafür war die negative Entwicklung im Ambientbereich. Durch die neuen Softwaremöglichkeiten machten auf einmal massenhaft "Künstler" Ambient und veröffentlichten diesen dann teilweise für umsonst im Netz. Somit ging das Interesse für Ambient auf CD sehr zurück. Das machte es uns unmöglich, weiterhin solche Sachen zu veröffentlichen, da es auch den Bands und Projekten wenig hilft, minimalste Auflagen zu bekommen, wenn sie bei einem Ambientlabel bessere Bedingungen haben. Zudem kristallisierte sich heraus, dass unsere Hörerschaft eher im Black- und Doom Metal angesiedelt ist. Ein Grund dafür mag sein, dass ein Großteil der Veröffentlichungen von NP hauptsächlich Black Metal waren. Das war aber nicht von vornherein so geplant und hat sich einfach so entwickelt. 2011 kam dann mein Partner James [Hawkins; Red.] aus Kanada hinzu, mit welchem ich das Sublabel Rain Without End Records gründete, welches die Doom Bands übernahm
und einige neue hinzuzog. Nun beschränken wir uns auf Black- und Doom Metal in jedweder
Variation.


Auf deine Intention bist du ja gerade schon eingegangen. Fair, professionell und Ehrlich soll die Arbeit zwischen einem Label und dem Künstler sein. Wie bist du das angegangen? Was sind die ersten Schritte, wenn man ein eigenes Label gründen möchte?

Nun, der erste Schritt ist sicherlich, sich ein Konzept, eine Idee auszudenken, was das Label darstellen soll und wohin es gehen soll. Bei mir war es das idealistische Konzept. Umgesetzt habe ich das eigentlich einfach durch Offenheit, Respekt und Ehrlichkeit. Ich bin selbst Musiker und weiß zum Beispiel, dass Druck und Vorgaben wenig helfen. Fairness äußert sich bei uns in der Gewinnbeteiligung, die über dem üblichen Schnitt liegt. Wichtig ist auch, dass bei Fehlern beide Parteien offen darüber reden. Das klappt nicht mit allen Leuten und dann trennen sich auch mal die Wege. Ansich ist das jedoch der beste Weg. Ich mache natürlich auch Fehler und vor allem am Anfang muss man noch viel lernen und dieser Lernprozess hört nie auf. Der letzte wichtige Punkt ist die Kommunikation. Ich spreche mit den meisten Musikern auch viel über Privates und wir versuchen uns auch zu besuchen, was bei der Internationalität nicht immer einfach ist [lacht]. So sind mit der Zeit viele Freundschaften entstanden und gerade der Kontakt zu so vielen tollen Musikern ist eine der besten Seiten eines Labelchefdaseins.



Was war die erste Band, die du mit Naturmacht unter Vertrag hattest und wie seid ihr zueinander gekommen?

Die erste Band war Nokturnal Misanthropy aus Italien, deren Demo ich veröffentlichte. Gefunden hatten wir uns damals über Myspace. Zu der Zeit hatte ich noch Anfragen rausgeschickt. Heute ist das natürlich meist andersherum [lacht].


Damals hast du noch selbst nach Bands gesucht, heute melden sich die Bands eher bei dir. Was sind die Kriterien für dich, um eine Band in dein Roster aufzunehmen und was müssen Bands machen, um eine Chance bei dir zu bekommen?

Ich bin da sehr unkompliziert. Eine vielsagende E-Mail mit Links reicht mir schon. Nur solche Copy/Paste-Sachen mag ich gar nicht, die dann gleichzeitig an 100 Labels gehen. Natürlich ist es immer schön, wenn man etwas in der Post findet. Aber da ich sehr oft die Anfragen verneinen muss, tut es mir immer um die Kosten und Mühen leid, welche die Bands haben. Daher reicht auch der digitale Weg. Hauptaugenmerk ist natürlich die Musik. Wenn sie mich beeindruckt und eine gute Ergänzung für das Gesamtbild ist, dann starte ich die "Verhandlungen". Es ist aber auch wichtig, was die Band für Ideale hat und ob sie sich schon mit der Labelphilosophie auseinandergesetzt hat und diese auch selbst verkörpert. Zudem kommt es darauf an, was ich nach ein bisschen Kommunikation für ein Gefühl habe, was die Menschen betrifft. Ich strebe ja eine freundschaftliche Beziehung an und das geht nicht mit allen.


Du sprachst anfangs von deinem Sublabel "Rain Without End". Was waren die Hintergründe dafür, noch eine zweite Ebene aufzubauen und wie bist du zu deinem kanadischen Partner gekommen?

Das Sublabel haben wir gegründet, als ich James dazu holte, damit er mir, vor allem im Promobereich, unter die Arme greifen kann. Die Idee entstand durch den Wunsch, unsere wenigen Doom-Bands besser an den Mann bringen zu können und dafür nach dem Vorbild Prophecy Productions ein Genresublabel zu gründen. James spielt gleichzeitig bei As Autumn Calls, die bei uns unter Vertrag stehen. Darüber kam die Verbindung zustande.


Du hast James also als Außenpostenmitarbeiter und dich als obersten Chef. Gibt es sonst noch weitere Mitarbeiter oder stemmt ihr das ansonsten zu zweit? Was sind die genauen Aufgaben, die man in so einer Position hat?

Genau so, auch wenn ich Ihn immer als gleichwertigen Teil gesehen habe. Leider musste James seinen Posten wieder aufgeben, da er sich um sein Privatleben kümmern muss. Alle Labelaufgaben muss ich jetzt also wieder alleine wahrnehmen. Wir beide konnten jedoch die internen Abläufe so professionalisieren und vereinfachen, dass ich es nun auch ohne weitere Hilfe stemmen kann. Promoarbeit beinhaltet alles was mit Reviews und Interviews zu tun hat. Also die Sheets erstellen, Promotexte verfassen, die Haulixplattform verwalten, Zines kontaktieren und vieles mehr.



Du selbst spielst seit Neuestem bei Sado Sathanas Bass und hast zudem mit Lebensnacht ein Solo-Projekt. Hilft es dir im Label-Alltag, dass du selbst aktiver Musiker bist und dadurch beide Seiten kennst?

Ich denke schon, denn es hilft mir, mich in die Künstlerseite hinein zu versetzen und genau das ist ja das Konzept hinter meinem Label. Ich war auch schon vor NP musikalisch aktiv und wusste dadurch, worauf es ankommt. Aber natürlich macht es auch die Kommunikation und Zusammenarbeit um einiges interessanter, da man hier und da dann selber direkt an der Musik mitwirken darf.


Ab und an gibt es sogar Labelkonzerte mit Bands aus deinem Roster. Wo finden diese statt und was bedeutet das für dich an Planung?

Die Natur-Nacht gibt es jetzt seit zwei Jahren und findet immer im März im Iron Eagle in Lugau statt. Eine sehr geile und urige Underground Location. Ich übernehme die ganze Bandplanung und mache den Hauptanteil der Promo. Der Club kümmert sich um den Soundmann, die Verpflegung und Sonstiges. Es war bis jetzt immer eine super Zusammenarbeit. Im März 2015 wird es dann die nächste Natur-Nacht geben.


Du musst in deiner Position natürlich auch einige Arbeiten delegieren. Wie schwer ist es, vernünftige Unternehmen zu finden, die sich um Pressung, Druck und Produktion kümmern?

Eigentlich gibt es sehr viele, sehr gute Firmen, die sich nur hier und da im Preis und vlt. im Detail in der Qualität unterscheiden. Durch das Internet ist die Suche nach dem besten preislichen Angebot zumindest einfacher geworden. Aber natürlich passt es nicht bei allen. Und hin und wieder stolpert man über eine noch bessere Firma. Wobei ich auch da versuche, wenn es preislich, menschlich und qualitativ passt, einer Firma treu zu bleiben. Auch muss man natürlich Erfahrungen sammeln und manchmal geht etwas in die Hose. Aber durch die gesteigerte Transparenz heutzutage ist das kein großes Problem mehr.


Gibt es Pläne, das Label noch weiter auszubauen oder bist du mit der derzeitigen Größe zufrieden?

Konkrete Ausbaupläne gibt es nicht. Die Anzahl der Bands ist mehr als ausreichend. Da werden nur noch wenige Änderungen geschehen, bzw. höchstens die eine mit einer anderen ersetzt werden. Konkret will ich eher die Abläufe verbessern und Kosten senken. Ansonsten hoffe ich, dass die Verkaufszahlen stimmen, um ein Minus zu vermeiden. Aber nach großen Vertriebsverträgen sehnt es mich nicht. Ich will alles auf einem Independend-Level halten, sodass ich mein eigener Boss bin und meine Freiheit nicht aufgeben muss. Es wird also wohl nie geschehen, dass meine VÖs auf jeder Onlineplattform oder bei Amazon usw. erhältlich sein werden. Jedoch hoffe ich natürlich, dass ich und meine Bands mehr und mehr Leute erreichen werden und wenn ich davon irgendwann leben kann, wieso nicht? [lacht]



Was kann man in Zukunft von Naturmacht erwarten?

Viele erstklassige Veröffentlichung (z.B. Black Autumn, Krigsgrav, Temple of Void, Enshine, Irem usw.), die es wert sind, gehört zu werden und dass NP immer zu seinen Idealen stehen wird.


Vielen Dank für das Gespräch! Die letzten Worte gebühren dir!

Ich danke dir für das Interesse, die Möglichkeit des Interviews und die tollen Fragen. Mir würden viele englische Sätze einfallen, die als "last words" passend wären, aber ich denke, ich ende mit einem einfachen:

\m/





Wer Interesse an Naturmacht Productions und deren Veröffentlichungen hat, sollte die Label-Homepage mit Online-Shop besuchen oder Naturmacht einen Besuch auf Facebook abstatten.