Wieviele überregional bekannte Bands hat Sachsen eigentlich zu bieten? Und wieviele Metalbands sind da dabei? Bekanntheitsgrade spielen für uns ja keine Rolle, aber wenn man schon mal eine Band wie Alpha Tiger vor der Nase hat, die nicht nur musikalisch überzeugt, sondern dazu auch noch Erfolg hat, sollte man mal nachfragen. Zum Beispiel wie man es im Heavy Metal überhaupt zu etwas bringen kann, was die Freiberger Metalszene zu bieten hat und warum es plötzlich überhaupt wieder so viel Begeisterung für "Retro" Metal gibt. Gitarrist und Songwriter Peter Langforth gibt Auskunft. (Dieses Interview war die Vorbereitung für den Artikel über Alpha Tiger im Chemnitzer Stadtmagazin 371)
Hallo Peter, Anfang Februar erschien Euer neues Album „Beneath The Surface“. Wie wurde es bisher in der Szene aufgenommen?
Wir sind noch dabei, die Reaktionen zu sammeln. Die Presse war schon überwältigend. Da wir noch nicht viele Gigs seit der Erscheinung hatten, müssen wir noch etwas warten, um zu sehen, wie es bei den Fans angekommen ist.
Positiv, wie auch beim ersten Album, ist mir aufgefallen, dass ihr den großen Kitsch vermeidet und eher schon einen Tick progressiv zur Sache geht. Auch lyrisch seid ihr weit weg von Drachen, Jungfrauen und Motorrädern. Wie wichtig ist es euch, dass eure Musik eine Botschaft transportiert und welche Botschaft ist das?
Es stimmt definitiv, dass wir andere Themen besetzen. Ich schreibe die Texte und den Großteil der Kompositionen. Es steckt aber keine Strategie dahinter, dass wir unbedingt anspruchsvolle Musik machen wollen. Das ergibt sich einfach aus unseren Interessen, technischen Fähigkeiten und auch musikalischen Vorbildern, dass die Musik einen gewissen Tiefgang hat. Die musikalischen Strukturen sind schon teilweise ziemlich anspruchsvoll, wobei ich eigentlich sogar immer versuche, einfache Songs zu schreiben, aber dabei kommt dann trotzdem so was bei raus. Es ist halt gar nicht so einfach, ein „Breaking the Law“ oder „Paranoid“ zu schreiben. Auch wenn es sich komisch anhört, die einfachen Songs sind schwerer zu schreiben als die anspruchsvollen. Textlich gibt es kein bestimmtes Thema auf das wir uns immer wieder berufen, aber wir haben auch auf diesem Album wieder drei Songs die einen roten Faden haben und sich mit der Weltwirtschaft und Verschwörungstheorien auseinandersetzen. Natürlich zugespitzt aber auch ernstzunehmen.
Welche drei sind das auf dem aktuellen Album?
Der Titeltrack „Beneath The Surface“, „Live in Ruins“ und „Regain The Gutter“.
Was glaubst du, macht eure Musik aus, was ist der Grund für den starken Zuspruch, den ihr erfahrt?
Das kann ich schwer sagen. Normalerweise hört man im Metal ja weniger auf die Texte, das ist ja immer so das I-Tüpfelchen für die Leute, die sich ganz besonders interessieren. Es ist immer ganz schön, wenn ich von Leuten angesprochen werde, die sich mit den Texten auseinandersetzen, aber das ist natürlich nicht Regel.
Ich denke, wenn die Leute unsere Alben zum ersten Mal hören, werden sie an alte Bands wie Queensrÿche erinnert. Musik, die sie lange nicht gehört haben.
Wie wichtig ist das Image einer Band? Euer Sänger hat sich ja mittlerweile auch von seinen Heavy Metal-untypischen Dreadlocks getrennt und ist auf das Bandana umgestiegen.
Ja prinzipiell ist das Image schon sehr wichtig, gerade bei dieser Musikrichtung. Es genügt nicht, einfach gute Musik zu machen. Man muss auch einen optischen Anreiz bringen. Selbst wenn das erst mal wie eine Provokation aussieht und gewöhnungsbedürftig für den ein oder anderen ist, bleibt man den Leuten doch so mehr im Gedächtnis hängen. Besonders auf Festival, wo einen keiner kennt, schafft man so Wiedererkennungswert.
Da muss es dann schon mal die Spandex-Hose sein.
(lacht) Ich kann nicht sagen, in welche Richtung sich das entwickeln wird, aber solange wir jung sind und es noch tragen können, stehen wir auch dazu.
Ich hab ein bisschen eure Geschichte nachverfolgt, wie Alpha Tiger direkt mit dem ersten Album durchgestartet ist. Ihr wart ja vorher schon aktiv, was glaubst du war der Grund, dass ihr sofort diesen Zuspruch hattet? Kannst du die Geschichte nachzeichnen, vielleicht auch für die ganzen kleinen Metalbands da draußen die vom großen Durchbruch träumen, wie schafft man es zu Century Media?
Es gibt da nie einen Masterplan. Das ist alles mit viel harter Arbeit und auch einem Quäntchen Glück verbunden. Am wichtigsten ist: Man muss seinen Arsch hoch kriegen und am Ball bleiben. Viele Bands sind die Lokalmatadore ihrer Stadt und spielen dort immer vor vielen Leuten. Das bringt einen aber nur bis zu einem bestimmten Punkt, man muss über die Stadtgrenzen hinaus bekannt werden. So war es bei uns.
Wir hatten als Freiberger im Prinzip nie wirklich eine Szene, dort kann man die Metalheads an einer Hand abzählen. Deswegen mussten wir auch nach und nach dort hinaus kommen, auch wenn es erstmal nur Chemnitz und Dresden war. Auf jeden Fall kamen wir erstmal etwas rum. Dann haben wir den Glücksgriff mit unserem Sänger gemacht und die „Martyr's Paradise“-EP aufgenommen. Die hat im Untergrund ihre Runde gemacht und gelangte dann auf Umwege zu unserem jetzigen Manager Karl-Ulrich Walterbach, der unter anderem Helloween betreut hat. Man liest ja so Geschichten über ihn (ehemaliger Chef von Noise Records), und wir waren schon etwas skeptisch. Aber wir haben uns dann mit ihm getroffen und kamen schnell auf einen gemeinsamen Nenner. Seitdem arbeiten wir zusammen und ich kann echt nichts schlechtes über ihn sagen. Wir haben dann zusammen unser erstes Album gemacht - „Man or Machine“ - und dann kam die Anfrage vom „Keep it True“-Festival und das war dann schließlich die Initialzündung. Ja und durch diese Auftritte sind dann auch die großen Labels auf uns aufmerksam geworden. Schließlich konnten wir uns das Label mit den besten Konditionen aussuchen und das war dann schließlich Century Media.
Wie habt ihr das mit der EP gemacht, nur bei Auftritten verkauft oder auch rumgeschickt?
Puh, da muss ich erstmal zurückdenken, das ist schon eine Weile her. Wir haben sie auf jeden Fall selbst produziert und zusammengebastelt. Ich erinnere mich, dass wir mal bei Fenriz (Darkthrone) in seiner Rubrik „Band der Woche“ geworden sind. Und dann gab es auch Anfragen aus ganz Europa, so dass wir die EP überall hin verschickt haben. Zwar nur 40-50 Stück, aber das war für uns eine ganze Menge.
Ich erinnere mich, dass wir uns auch bei großen Labels damit beworben haben, aber das ist natürlich aussichtslos. Also sich bei Nuclear Blast als unbekannte Band vorstellen, kann man heutzutage vergessen. Dann lieber bei kleinen Labels versuchen oder eventuell vorhandene Kontakte aktivieren.
Du meintest vorhin, dass man in Freiberg die Metalheads an einer Hand abzählen kann. Wie groß ist denn die Szene dort und wo geht man als Metaller abends hin?
Das Train Control macht mehr oder weniger regelmäßig Metal-Veranstaltungen in Freiberg und ist auch eigentlich ganz gut besucht. Es ist auf jeden Fall eine neue Metalgeneration herangewachsen. Das finde ich sehr positiv, aber aus meiner Generation, also die Leute, die so vor 6-7 Jahren angefangen haben, auf Metal-Veranstaltungen zu gehen, sind kaum noch welche hier. Die hat es in alle Himmelsrichtungen verschlagen. Da hat Dresden oder Chemnitz deutlich mehr zu bieten, was die Metalszene betrifft.
Wie siehst du die Metalszene allgemein, setzt sich Qualität im Metal immer durch?
Ja die Metalszene ist halt leider extrem gespalten. Allein schon im True-Metal-Bereich gibt es da extremste Diskussionen zu Bands, nur weil den Leuten irgend etwas nicht passt.
Ja die Leute die mit irgendwas unzufrieden sind, äußern sich auch dazu, während der Rest schweigt.
Genau, ich glaube, dass ist auch so eine typisch deutsche Eigenschaft, sich erst mal über alles aufzuregen. Das erleben wir auch, obwohl wir uns da einen gewissen Status erarbeitet haben, dass wir z.B. auch von Black Metal Fans positiv aufgenommen werden.
Wie läuft euer Leben derzeit ab, seit ihr alle nur noch für die Band da oder habt ihr noch normale Jobs. Wie viel ist dran am Rockstar-Leben?
Ja es wäre natürlich sehr schön, wenn wir nur für die Band leben könnten. Aber das ist absolut nicht möglich. Alles was die Band abwirft, wird auch sofort wieder in die Band investiert. Zwei von uns haben einen ganz normalen Job, der Rest studiert. Wir als Studenten können natürlich etwas mehr Zeit reinstecken, aber wir sind schon froh, wenn alle zu den Proben kommen können und wir keine Auftritte verschieben müssen. Man muss schon Kompromisse machen.
Also kein Rockstar-Leben und alles noch selber schleppen?
(lacht) Ja gut, wenn man auf Tour ist, dann ist das was anderes. Da sind die Fans um einen herum und es gibt gutes Catering. Zuhause muss man dann natürlich wieder ranklotzen, für die Uni lernen und arbeiten. Das nimmt einem dann niemand ab.
Wie wichtig ist Freundschaft in diesem Business? Euer alter Drummer ist ja ausgestiegen, weil er keine Lust auf das Leben „on the road“ hatte.
Ja das stimmt, es ist tatsächlich sehr schwer noch eine freundschaftliche Ebene aufrecht zu erhalten, wenn man auch eine professionelle hat. In der jetzigen Konstellation mach ich mir eigentlich keine Sorgen, wir kommen alle bestens miteinander aus. Aber es gibt natürlich trotzdem ab und zu mal Streitpunkte, das bleibt nicht aus.
Deswegen ist es gut, dass wir einen Manager haben, der kann so etwas auch regeln. Unterwegs ist dann auch die Crew mit Roadie, Soundmann, Lichtmann dabei, die natürlich auch eine große Hilfe sind.
Nun ist ja Retro Metal seit geraumer Zeit wieder im Trend, also nicht nur was klassischen Heavy Metal betrifft, sondern auch im Death und Black Bereich. Glaubst du es gibt eine Rückbesinnung auf die gute alte Zeit?
Aus meiner Sicht ist das eigentlich ziemlich einfach zu erklären. Die Metal Szene hat sich in den letzten 30-40 Jahren ja immer weiter entwickelt und wurde immer extremer. Wenn man mal bedenkt wie das alles losging mit Rock 'n' Roll, The Who zum Beispiel und dann die 70s Bands wie Aerosmith. In den 80ern kam dann natürlich Heavy Metal und in den 90ern ging es dann los mit Black und Death Metal, Grindcore, New Metal...
Irgendwann ging es einfach nicht mehr krasser, die Spitze war erreicht. Tja und dann ging es eben wieder zurück zu den Wurzeln, beziehungsweise konnten die Bands sich dann aussuchen, was sie für Musik machen wollen. Es ist alles erforscht, alle Wege wurden beschritten. Was soll man noch neues erfinden? Deshalb gehen jetzt viele Bands wieder zurück zu den Ursprüngen. Nicht umsonst sind Bands wie Iron Maiden immer noch heutzutage aktuell, weil das einfach richtig gute Songs sind, Melodien für die Ewigkeit. Das wird niemals aussterben.
Glaubst du, dass es noch eine Neuentwicklung geben wird oder wird sich der Metal ab jetzt immer um sich selbst drehen?
Tja das ist schwer zu sagen. Es gibt natürlich immer noch innovative Bands und neue Musikrichtung wie Djent oder wie das alles heißt. Da hab ich auch den Überblick mittlerweile verloren.
Wir diskutieren bei uns im Freundeskreis auch öfter darüber, wie sich die Metalszene in Ostdeutschland von der westdeutschen Szene unterscheidet. Oft wird gesagt, die Szene im Osten sei härter drauf, da geht vor allem Death und viel Black Metal. Empfindest du das auch so?
Das ist ein weitverbreitetes Vorurteil, dass im Osten eigentlich nur Black Metal gehört wird. Es gibt ja eigentlich eine genau so starke Heavy Metal Szene. Also ich würde nicht sagen, dass die Leute hier härter drauf sind. Mir fällt das schwer, auseinanderzuhalten wer zu welchem Genre gehört.
Wo glaubst du liegen die großen Unterschiede zwischen Metal und anderen Musikszenen?
Schon im Metal gibt es ja so viele Unterschiede. Alleine schon die Glam/Hair-Metaller die jedes Klischee erfüllen und mit einen Spiegel in der Arschtasche rum rennen.
Ja die Rückkehr des Hair-Metal hätte nicht unbedingt sein müssen.
Das stimmt. Bei Mädchen ist das vielleicht noch ganz nett anzusehen, aber wenn dann noch die Typen genau so aussehen. Also das ist ab und zu eine ganz nette Abwechslung, aber wenn sie das dann wirklich ernst meinen... Naja, sollen 'se machen.
Die großen Unterschiede und Abgrenzungen sind wohl eher bei den Genres zu finden, die hauptsächlich von jungen Leuten gehört werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es bei „Altherrenmusik“ so große Unterschiede gibt, alleine schon vom Aussehen. Wenn Bob Dylan in der Stadt ist, geht jeder hin und da finden sich wohl keine großen internen Szeneunterschiede.
Ihr spielt demnächst in Chemnitz, nicht das erste Mal, wie habt ihr das Publikum hier bisher so erlebt?
Die Chemnitzer Metal Szene kenne ich eigentlich in und auswendig, man kennt sich von Konzerten und trifft sich ja auch bei Konzerten in Dresden und Leipzig. Chemnitz hat auf jeden Fall eine eingeschworene Szene, auch was die Bands betrifft. Man hilft sich gegenseitig und oftmals spielen auch viele Mitglieder in verschiedenen Bands. Dort ist es auch so, wie ich eingangs erwähnte, dass sie es schwer haben, über die Stadtgrenzen hinaus bekannt zu werden und ich habe auch das Gefühl, dass es in letzter Zeit etwas abgenommen hat mit Konzerten und Veranstaltungen. 2008 konntest du jedes Wochenende Bands sehen, das ist jetzt alles ziemlich zurückgegangen. Aber keine Ahnung woran das liegt.
Wir sind fast am Ende angelangt, ich würde dich gerne noch fragen: Was bedeutet Heavy Metal für dich, für deine Band?
Heavy Metal bedeutet mir sehr viel, vor allem die sehr familiäre Szene. Man kennt sich und man fühlt sich auch auf Festivals und Konzerten sehr geborgen. Musikalisch gesehen ist Heavy Metal für mich nicht das einzige. Ich bin sehr offen für andere Stile und versuche auch viele andere Sachen in unsere Songs aufzunehmen. Die Szene ist aber für mich auf jeden Fall mehr als die reine Musik.
Was hörst du sonst so?
Ich höre eigentlich alle möglichen Sachen, also von Country über Songwriter- oder Folkmusik wie Neil Young oder Simon and Garfunkel, alles mit tiefgründigen Texten, was mich auch selber beim Songschreiben beeinflusst.
Ja, ich hatte gelesen, dass du ein Country-Projekt planst.
(lacht) Ja das ist wahr. Wir planen unseren ersten Auftritt...
Was zeichnet für dich einen guten Metalsong aus?
Für mich stehen an erster Stelle die Gesangslinien. Also ein richtig guter Refrain, den jeder mitsingen kann. Außerdem eine eingängige Melodie, die einfach und effizient ist. Das ist für mich Heavy Metal.
Vielen Dank für das Interview!
Ich habe zu danken.